Fremdkörper Ingestion

27.08.21 - Neue, überarbeitete Version

04.05.18 - Ersetzt die Version von 04/2007 im Ordner Gastroenterologie

Inhaltsverzeichnis

Autor: Dr. Spalinger (Päd. Gastroenterologie), Dr. Zundel (Kinderchirurgie), Dr. Imahorn (Interdisziplinäre Notfallstation)
Version: 05/2018

Überarbeitete Version: med.pract. K. Wechselberger (INS), Dr. J. Spalinger (Päd. Gastroenterologie), Dr. P. Esslinger (Kinderchirurgie) 08/2021

Key Points

Knopfbatterie: Ingestionen sind immer mit grösster Priorität zu beurteilen und bei Impaktion in der Speiseröhre ohne Verzug zu entfernen (innerhalb von max 2 h) auch bei Symptomfreiheit.

Bei Fremdkörper (FK)-Ingestionen ist eine rasche Einbestellung in die Notfallstation empfohlen und die Durchführung einer Bildgebung (Thorax inkl. Hals/Abdomen, ev. 2 Ebenen) auch bei asymptomatischen Kindern oft notwendig. Falls der Fremdkörper bekannt ist, möglichst "baugleiches Objekt" mitbringen lassen.

Meist passieren die Fremdkörper den GI-Trakt ohne Probleme, allerdings sind schwerwiegende Komplikationen mit Todesfällen beschrieben.

Die Indikation und Dringlichkeit zur bildgebenden Diagnostik und endoskopischen FK-Entfernung richtet sich nach der Klinik, der Art und Lokalisation der Fremdkörper.

Cave FK-Aspiration: Bei Begleitsymptome wie Husten, Atemnot oder Fieber.

Algorithmus / Flowchart

Background

Die höchste Inzidenz von verschluckten Fremdkörpern findet sich bei Kindern von 6 Monaten bis 3 Jahren sowie bei Kindern mit Entwicklungs- / Verhaltensproblemen. Ältere Kinder mit einer psychiatrischen Grunderkrankung verschlucken evtl. intentionell Fremdkörper und brauchen nebst Diagnostik und Therapie der Fremdkörperingestion eine psychologische / psychiatrische Betreuung. Münzen sind die am häufigsten verschluckten Gegenstände. 50% der Patienten sind asymptomatisch. Eine mögliche gastrointestinale Obstruktion / Schädigung sowie die Dringlichkeit zur bildgebenden Diagnostik und endoskopischen Entfernung hängt von der Klinik, der Lokalisation und den physischen Eigenschaften des verschluckten Objekts ab (Grösse, Form, Komposition, toxische Eigenschaften).

Anamnese

Nebst den Symptomen sind die Art des Objekts, Zeitpunkt der Ingestion sowie zu Grunde liegende Erkrankungen des Patienten entscheidend. Bei toxischen Substanzen nebst genauer Erfragung der Substanz und Zeitpunkt ebenfalls die Menge und bei intentioneller Ingestion die Suizidalität zu evaluieren. Falls der Fremdkörper bekannt ist, soll möglichst ein „baugleiches Objekt“ mitgebracht werden.

Status

Genaue Inspektion des Oropharynx (Speicheln, Verletzungen) sowie Augenmerk auf Atemwegs-/respiratorische Beschwerden (Atemnotzeichen, Giemen, Stridor oder abgeschwächtes Atemgeräusch) und genaue abdominelle Untersuchung (Druckdolenz, Peritonitis, Ileus).

Diagnostik

Asymptomatische, nicht zu den Risikopatienten zugehörige Kinder mit Ingestion eines als nicht gefährlich klassifizierten Fremdkörpers mit einer zuverlässigen, klaren Anamnese bedürfen keiner Bildgebung. Nicht nötig ist bei dieser Gruppe ebenfalls die Untersuchung des Stuhlganges auf den Fremdkörper durch die Eltern oder eine Bildgebung im Verlauf bei nicht auffindbarem FK im Stuhl. Bei unklarer oder unzuverlässiger Anamnese (v.a. bezgl. der Art des Fremdkörpers) sowie im Zweifelsfall soll eine Bildgebung durchgeführt werden.

 

Therapie

Das Management hängt von der Art und Lokalisation des Fremdkörpers ab. Primärer Ansprechpartner für alle Patienten und zu allen Uhrzeiten ist der diensthabende Kinderchirurge. Eine Zusammenarbeit mit der pädiatrischen Gastroenterologie ist erwünscht und wird durch den Kinderchirurgen koordiniert. Im Zweifelsfall ist eine Rücksprache erwünscht.

  • Grundsatz
    • FK im Oesophagus ► rasch entfernen
    • FK im Magen ► passieren meist spontan innert 4-6 Tagen
  • Knopfbatterien

Im Rx erkennbar durch die Doppelkontur. Der Schweregrad der Oesophagusverletzung ergibt sich in Funktion der Dauer der Impaktion, des Ladezustands und der Grösse der Batterie. Die Verletzung entsteht durch die elektrische Entladung mit anschliessender Kolliquationsnekrose und/oder Drucknekrose, selten durch Ausfluss von Substanzen.

Bei vorgängiger telefonischer Kontaktaufnahme durch die Eltern Empfehlung zu sofortiger Gabe von 2 TL Honig mit Wiederholung alle 10min bis 6x (Honig) (KI: < 1 Jahr, Schlucken nicht möglich, Ingestion >12h).

Im Oesophagus immer Entfernung innert 2h nach Ingestion, auch wenn asymptomatisch (CAVE bei Ingestion > 12h Oesophago-aortale Fistel).

Im Magen Entfernung innert 2h nach Ingestion, wenn symptomatisch oder GI-Anomalie sowie bei möglicher Co-Ingestion von Magneten. Bei Lage im Magen und asymptomatischem Patienten ist die primäre Entfernung kontrovers. Nach KISPI internem Konsensus soll eine notfallmässige Entfernung erfolgen. Bei möglicher spontaner Passage jedoch Rx Kontrolle vor Durchführung der Endoskopie.

Bei verzögerter Vorstellung (> 12 h nach Ingestion) soll in Rücksprache mit den Kinderchirurgen eine Bildgebung (CT) mit Frage nach Gefässverletzungen, Oesophagusperforation, Tracheo-oeshophagealer Fistel erfolgen.

  • Zylinderbatterien

Gilt als „ungefährlicher“ FK. Notfallmässige Entfernung wenn im Oesophagus bzw. bei Symptomen, ansonsten im Magen belassen und ambulant beobachten mit Rx nach 7-14d falls nicht im Stuhl evakuiert.

  • Mehrere Magnete oder Magnet + Metall

Entfernung <24h aller Magnete in endoskopischer Erreichbarkeit. CAVE: Neodym (Supermagnete) im Magen Entfernung innert 2h. Ausserhalb der endoskopischen Reichweite engmaschige, ggf. stationäre Überwachung mit laparoskopischen / offen chirurgischer Entfernung bei non Progression oder Auftreten von Symptomen (Peritonitis, Obstruktion, Perforation). Ein einzelner Magnet und mehrere Magnete ohne sichtbaren Spalt gelten als ungefährlicher FK, ausser wenn zusätzliches metallisches Objekt verschluckt wurde. CAVE: Ingestion Metall / Magnet im Verlauf!

  • Spitze / Scharfe Objekte

Spitze / Scharfe Gegenstände sind nicht per se gefährlich und brauchen keine Intervention bei sonst asymptomatischem Kind. Die Einstufung der Gefährlichkeit erfolgt über die Grösse (< 5y: > 3x2cm  und > 5y: > 5x2cm). Entfernung < 2h nach Ingestion wenn im Oesophagus / Magen / proximales Duodenum und als gefährlich eingestuft. Bei grenzwertiger Grösse im Zweifelsfall Rücksprache mit der Kinderchirurgie und Gastroenterologie.

  • Stumpfe Fremdkörper

Fremdkörper mit Impaktion im Oesophagus bedürfen einer notfallmässigen Entfernung. Bei Symptomen Entfernung innerhalb von 2 Stunden nach Ingestion. Die "Gefährlichkeit" wird über die Grösse Definiert (<5y: >3x2cm / > 5y: > 5x2cm).

  • Arzneien / „drug packets“

Primär keine endoskopische Entfernung empfohlen. Rücksprache mit Tox Zentrum. Chirurgische Entfernung bei Zeichen einer intestinalen Obstruktion, Vd.a. Ruptur oder fehlender Progression im Verlauf.

  • Ätzende Substanzen

Siehe auch Merkblatt «Säure / Laugen Ingestion (Ingestion ätzender Substanzen /Caustic ingestion)». Erbrechen sollte unbedingt vermieden werden. Rx Thorax bei respiratorischen Symptomen. Rücksprache mit Tox Zentrum (Tel 145). OGD innert 24h, bis dahin Überwachung auf IPS mit Intubationsbereitschaft bei Risiko Ödem der Atemwege. Präinterventionell kein Einlegen einer Magensonde. Keine prophylaktischen Corticosteroide bei erhöhtem Risiko einer Perforation und Maskierung der Symptome einer Infektion. Corticosteroide (Methylprednisolon 1g/1.73 m2 oder Dexamethason 1mg/kg/d) Indiziert nach Durchführung OGD bei Grad IIb oder höher bei Evidenz zur Prävention von Stenosen.

Laugen verursachen eine Kolliquationsnekrose mit tiefer Gewebspenetration und hohem Perforationsrisiko bei pH > 11.5 – 12.5

Säuren verursachen eine Koagulationsnekrose mit niedrigem Perforationsrisiko bei pH < 2. Cave: hohes Risiko einer Verletzung der oberen Luftwege (Aspiration)

Bei Laugen sowie Säuren bestehen anhaltende, verzögerte Verletzungen mit Verletzungsprozess von ca 1 Woche. Das Perforationsrisiko ist am Tag 5-15 am höchsten. Die Ausbildung von Stenosen beginnt um die 3te Woche.

  • Nahrungsbolus Impaktion

CAVE: Abklärung einer zugrunde liegenden Pathologie (eosinophile Oesophagitis, Reflux Oesophagitis, Achalasie oder andere Motilitätsstörung, Striktur). Deshalb Hinzuzug der Gastroenterologen mit Entnahme von Biopsien während der Endoskopie

Präoperative Medikation

  • single Shot Co-Amoxicillin 50mg/kg iv bei
    • Knopfbatterie Ingestion
    • Oesophagusverätzung
    • Klinischem Vd. a. Perforation
  • Omeprazol 1-2mg/kg iv bei Laugen / Säuren Ingestion in RS Tox Zentrum