OSG-Distorsionsverletzungen: Algorithmus im KJNO
Inhaltsverzeichnis- Einleitung
- Hintergrund
- Vorgehen im KJNO
- Klinische Untersuchung (KJNO-Ärzt/-in)
- Initiale Therapie
- Wichtige Hinweise
- Literatur
Autor: J. Wachstein (KJNO), geprüft I. Bachmann (KJNO), Mike Trück (KCH), Marco Götze (Kinderorthopädie)
Version: 12/2024
Einleitung
Sprunggelenksverletzungen zählen zu den häufigsten Verletzungen des Kindes- und Jugendalters. Dabei kommt es meist zu einer Zerrung des seitlich stützendes Bandapparates des Sprunggelenks (v.a. Lig. talofibulare anterius et posterius sowie Lig. calcaneofibulare), was zu Schmerzen und Schwellung in diesem Bereich führt. Gelegentlich kann es v.a. bei Schulkindern zu knöchernen Ausrissen eines solchen Bandes kommen. Dies heilt in der Regel unter adäquater Therapie problemlos aus.
Ziel dieses Merkblattes ist ein einheitliches Vorgehen bezüglich initialer radiologischer Diagnostik sowie entsprechender risikostratifizierter und kindgerechter Therapie um einerseits unnötige Diagnostik zu vermeiden ("smarter medicine" pädiatrie), andererseits seltenere aber relevante Verletzungen (z.B. Frakturen des Malleolus medialis) nicht zu verpassen.
Im klinischen Alltag hat sich die Einteilung in leicht (Grad 1), mittelschwer (Grad 2) sowie schwer (Grad 3) bewährt, welche auf der klinischen Einschätzung der verletzten Bandstrukturen beruht.
Leicht (Grad 1) |
Mittelschwer (Grad 2) |
Schwer (Grad 3) |
|
|
|
Hintergrund
Im Kindesalter sind zwei klinische Tools zur Evaluation von Sprunggelenksverletzungen validiert: die Low Risk Ankle Rules (LRAR) sowie die Ottawa Ankle Rules (OAR). Die low risk Verletzungen sind definiert als laterale Distorsionen, undislozierte Salter I/II Fibulafrakturen sowie Fibulaavulsionsfrakturen (entspricht ossären Bandläsionen).
Vorgehen im KJNO
Patient/-in mit isolierter Sprunggelenksverletzung:
Ausschlusskriterien für die Anwendung LRAR prüfen (Pflege Ersttriage)
-
Alter < 6 Jahren
-
Verletzungen älter als 72 Stunden
-
kürzliche Operation oder Verletzung an derselben Lokalisation
-
keine verbale Kommunikation möglich
Low Risk Ankle Rule (LRAR) anwenden (Pflege Ersttriage)
-
falls positiv (Schmerzen / Schwellung Zone B, C): Analgesie, kein Rx primär
-
falls negativ und Schmerzen Zone A: Analgesie, Rx OSG ap/stl
-
falls negativ und Schmerzen Zone D: ggf. Rx Fuss ap / schräg
-
falls negativ und Schmerzen Fusswurzel / Metatarsale: Analgesie, Rx Fuss ap / schräg
Klinische Untersuchung (KJNO-Ärzt/-in)
Nach angewendeter LRAR und Gabe von Analgesie durch Ersttriage erfolgt ärztlich die Anwendung der Ottawa Ankle Rules (ebenfalls ab 6 Jahren)
-
Schmerzen Zonen 1 oder 2 oder/und < vier Schritte möglich: OSG-Röntgen
-
Schmerzen Zonen 3 oder 4 oder/und < vier Schritte möglich: Fuss-Röntgen
-
Keine Schmerzen Zonen 1 – 4 und > vier Schritte möglich: kein Röntgen, direkt ad Therapie
Initiale Therapie
Axiale Belastung (> vier Schritte) nach adäquater Analgesie möglich und klinischer und/oder radiologischer Ausschluss relevanter ossärer Verletzungen (Fibula-Avulsionsfraktur / ossärer Bandausriss gilt nicht als relevante Fraktur):
-
primär Softcast-Stiefel mit voller Belastung (keine Stockentlastung) und Kontrolle im Gipszimmer in ca. 7 Tagen
Keine Belastung (< vier Schritte) möglich und/oder starke Schwellung ohne Nachweis einer Fraktur oder isolierte ossäre Bandläsion lateral:
-
Splintpod oder Unterschenkel-L-Schiene (v.a. bei Vorschulkindern) und Kontrolle in ca. 1 Woche im Gipszimmer
Undislozierte Frakturen:
-
gemäss separatem Frakturkonzept
Dislozierte Frakturen
-
kinderchirurgisches Konsilium
Wichtige Hinweise
-
Softcast-Stiefel: Belastung wichtig (keine Stockentlastung, Kinder animieren zur Belastung)
-
Schiene / Splint Pod: KEINE Belastung erlaubt, sonst Gefahr von Druckstellen und/oder Gipsbruch. Kinder brauchen Gehstöcke (ab Schulalter) oder Wagen/Tragen.
-
Ruhigstellung gesamthaft in der Regel 6 Wochen unabhängig ob Softcast oder Splintpod initial
-
Falls Kind vorzeitig belastet bzw. belasten will: rasche Kontrolle im Kinderspital (Gipszimmer/KJNO), Abnahme Splintpod/Unterschenkelschiene sowie Umstellung auf geeignete Therapie (Softcast-Stiefel, Vacoped, Salbenverband, etc.
Literatur
www.paediatrieschweiz.ch/choosingwisely
Tormey, P et al Introduction of the low risk ankle rule to a paediatric emergency department, Injury March 2020, Volume 51
Almeida, S et al Applying the Ottawa Ankle Rules in a Pediatric Emergency Department Pediatric Emergency Care
Karpas, A et al Utilization of the Ottawa Ankle Rules by Nurses in a Pediatric Emergency Department Academic emergency medicine Feb 2002, Vol 9
Ellenbogen, A at al Retrospective comparison of the Low Risk Ankle Rules and the Ottawa Ankle Rules in a pediatric population. Am J Emerg Med March 2017