Invagination (Ileocolische Invagination, Intussusception)
Inhaltsverzeichnis- Key Points
- Pathogenese
- Klinik
- Differentialdiagnosen
- Diagnostik
- Therapie
- Vorgehen im Kinderspital Luzern
- Postinterventionelles Procedere
- Komplikationen
- Quellen
Autor: Xenia Mandanis (INS), Nikolai Stahr (Kinderradiologie), Lea Wehrli (Kinderchirurgie)
Version: 06/2020
- Häufigster Grund für akutes Abdomen beim Kind < 2 Jahre
- Typisches Alter 5-36 Monate (60% unter 1-jährig)
- Jungen häufiger betroffen als Mädchen (ca. 3:2)
Bei der Invagination stülpt sich das proximale Darmstück in den distalen Darmanteil (typischerweise Ileum in Colon).
- Nur die ileocolische Invagination (Colon über Ileum) ist von therapeutischer Relevanz
- Ileo-ileale, jejunale, jejunoileale Invaginationen sind ein häufiger Zufallsbefund in der Sonographie bei Abdominalschmerzen bei Enteritis und lösen sich i.d.R. von selbst. Sie haben keinen Krankheitswert.
Pathogenese
- Kompression der Mesenterialgefässe ⇒Darmwandödem ⇒Ischämie, Perforation, Peritorinitis
- 75% idiopathisch, d.h. keine Führungsstruktur bzw. Hypomochlion gefunden
- Häufung nach gastrointestinalen Infekten (v.a. Adenovirus, auch enteropathogene Bakterien), aber auch nach respiratorischen viralen oder grippalen Infekten
⇒ Viraler Infekt stimuliert Peyer’sche Plaques, die hypertrophiert als Hypomochlion agieren
Weitere mögliche Ursachen/Führungsstrukturen: Meckel-Divertikel, Tumor, Polyp, Duplikationszyste, Gefässmalformationen, Hämorrhagien z.B. bei Purpura Schönlein Henoch
Klinik
- Plötzliches Auftreten von krampfartigen, intermittierenden, starken Bauchschmerzen. Intensität im Verlauf zunehmend und Intervalle abnehmend
- Unstillbares Schreien
- Überstrecken des Kindes
- Lethargie, Blässe, (Prä-)Synkope
- Angezogene Beine
- Erbrechen, kann gallig sein
- 50% Frischblut im Stuhl, z.T. himbeergeléeartig
- z.T. walzenförmige Masse im rechten Hemiabdomen oder auch Mittel-/Oberbauch tastbar
Im Intervall kann Kind in gutem Allgemeinzustand sein CAVE: Fehlinterpretation als Krämpfe bei Gastroenteritis
- Im Verlauf zunehmende Lethargie und Bewusstseinstrübung (SCHOCK!)
Merke: Klassische Trias aus Bauchschmerzen, palpabler Masse und himbeergeléeartiger Hämatochezie (letzteres ist ein Spätzeichen!) treten je nach Literatur bei <15-50 % aller Kinder mit Invaginationen auf
Differentialdiagnosen
- Gastroenteritis
- Volvulus
- Sepsis
- Ovarialtorsion
- Appendicitis
- Meckel-Divertikel
- Mesenteriale Ischämie
- Peritonitis
- Intoxikation
- Stoffwechselentgleisung
Diagnostik
- Ultraschall (bei erfahrenem Untersucher Sensitivität und Spezifität fast 100%) ⇒ "target sign" im Querschnitt oder "pseudokidney sign" im Längsschnitt, typischerweise im rechten unteren Quadranten und ggf. Identifikation der Leitstruktur
- Durchleuchtung und konventionelles Röntgen haben bei uns im Hause diagnostisch keinen Stellenwert
Therapie
Bei stabilen Patienten ohne Hinweise für Darmperforation primär nicht-operatives Vorgehen
⇒ Pneumatische oder hydrostatische (NaCl 0.9% Einlauf) Reposition unter Durchleuchtung oder unter sonographischer Kontrolle (nur bei hydrostatischer Reposition möglich)
Pneumatische Technik hat höhere Erfolgsrate als hydrostatische Technik (83 vs. 70%)
Bei instabilen Patienten, Hinweisen für Darmperforation oder nach erfolglosem pneumatischem Repositionsversuch ⇒ Magensonde, iv-Zugang (wenn noch nicht erfolgt), AB-Beginn, operative Reposition
Vorgehen im Kinderspital Luzern
Kind mit Vd. a. Invagination
- Sonographie notfallmässig anmelden, peripher venösen Zugang legen und Kinderchirurgen über Verdacht informieren
- Invagination bestätigt ⇒ Kind zur pneumatischen Reposition in Durchleuchtung anmelden (Tel. plus Verordnung in LUKiS)
- Kind am Sättigungs-Monitor mit Puls, SpO2. Passender Beatmungsbeutel und Maske mit Sauerstoff griffbereit. Nasenbrille installiert. Analgosedation: Meist Kombination mit Nalbuphin 0.1 mg/kg i.v. und Midazolam 0.1 mg/kg i.v. (je 2 Dosen aufziehen lassen zur titrierten Gabe)
- Ballonkatheter rektal einführen und mittels Tape und manuell abdichten (Gesässbacken zusammenhalten)
- Insufflation von Luft bei möglichst konstantem Druck von 100 bis max.120 mmHg unter Durchleuchtungskontrolle
- Reposition ist mit Sicherheit vollständig erfolgt, wenn in der Durchleuchtung der Lufteintritt in den Dünndarm sichtbar wird.
- Die geschwollene Ileocoecalklappe ist nicht immer vom Restinvaginat zu unterscheiden.
- Ggf. erfolgt eine sonografische Kontrolle in der Durchleuchtung
Postinterventionelles Procedere
- 6 h nüchtern
- Klare Flüssigkeit
- Kostaufbau
- Überwachung mindestens 24 h
Komplikationen
- Darmperforation bei nicht-operativer Reposition (bis 1%)
- Rezidive in 2-20% auf (je nach Literatur) meist innerhalb der ersten 48 Stunden. Häufiger bei vorhandenem Leading point wie Polypen, Meckel-Divertikel, etc.
Quellen
- Uptodate (Intussusception in children, Update 14/05/2020)
- Heinrich M., Neuhaus K.: Kinderchirurgie; Basiswissen und Praxis. Hrsg. Dietrich v. Schweinitz. Zuckschwerdt Verlag GmbH. (2012)
- Selbst S.: Pediatric emergency medicine Secrets. Third edition. Elsevier. 2015