Scrotum, akutes

Inhaltsverzeichnis

Autor: Dres. Donas, Furrer, Hacker, Shavit, Zundel


Version: 03/2017

Key Points

Therapiebeginn beeinflusst Outcome oft massgeblich: Risiko einer irreversiblen Hodenschädigung besteht.

Abdominalschmerzen können auch Ausdruck eines akuten Skrotums sein.

Mechanische Veränderungen, Infekt, exogene oder idiopathische Ursachen möglich.

Als bildgebende Untersuchung hat die Sonographie den höchsten Stellenwert: Bei hohem Verdacht auf Hodentorsion: Kinderchirurgie informieren, OP

Definition

Akuter Schmerzzustand im Bereiche eines oder seltener beider Scrotalfächer, welcher mit Schwellung, Rötung sowie in die Leisteausstrahlenden Schmerzen einhergehen kann (v.a. bei Kinder auch abdominale Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen möglich).

Aetiologie:

-Mechanisch: Hodentorsion (inkl. interm. Torsion mit spontaner Detorquierung), Trauma, Hydatidentorsion (Anhängsel von Hoden oder Nebenhoden) , Inguinalhernie

-Infektion: Orchitis, Epididymitis, Skrotalphlegmone, Funiculitis, Deferentitis, perineale Lymphangitis, Erysipel, Skrotalabszess, Fasziitis (Fournier-Gangrän)

-Exogen/ idiopathisch: Idiopathisches Skrotalödem, Insektenstich, akuter Lymphstau

Anamnese, Symptome und klinische Zeichen

Wichtige Punkte der Anamnese

  • Dauer der Symptome: Wann begonnen? Akut/subakut/chronisch?
  • Trauma, Fieber
  • Alter des Patienten (sh. kleine Grafiken unten)
  • Vorausgehende Infekte? Operationen (Narben)? Systemerkrankung (z.B. bei Purpura Schönlein-Henoch, Kawasaki-Syndrom)
  • Erstmaliges Auftreten?

Abgrenzung Hodentorsion von entzündlichen oder anderen Veränderungen:

  • Aufgehobener Kremasterreflex
  • Einseitig fixierter Hodenhochstand, liegt quer statt längs
  • Verstärkung der Schmerzen beim Anheben des betroffenen Hodens (Prehn’sches Zeichen)
  • Klinische Zeichen sind nicht pathognomonisch

Hydatidentorsion

  • Klinisch typisch ("blue-dot sign."), kleine derbe, druckdolente rundliche Struktur palpabel paratestikulär. Wenn gut abgrenzbar, ist Diagnose gestellt und keine Bildgebung nötig (im Zweifelsfall aber immer!).

Blue-dot-sign: ekchymotische Veränderung durch die Haut sichtbar

Altersverteilung:

Diagnostik

Laboruntersuchungen:

Falls differentialdiagnostisch bakteriell-entzündlich zu überlegen

  • Urinstatus und kultur
  • Ggf. BB, CRP
  • STD (Chlamydien) bei sexuell aktiven Adoleszenten
  • Immer bei Neugeborenen und Immunsupprimierten Kindern

Bildgebende Untersuchung:

  • Typischerweise Sonographie. Kann Durchblutung und betroffene Strukturen zeigen. Bei hochgradigem Verdacht auf eine Hodentorsion darf die Therapie nicht durch die Bildgebung verzögert werden.

Therapie und Management

Hodentorsion

  • Kinderchirurgen bei dringlichem Verdacht unmittelbar beiziehen.
  • Ischämiezeit beträgt maximal 4-6 Stunden, für Neugeborene oder Säuglinge noch deutlich kürzer.
  • Innerhalb dieses Zeitraumes kann eine Hodennekrose oder -atrophie durch eine Detorsion des Hodens vermieden werden. Bei wenig ausgeprägter Torsion oder möglicher spontaner Detorsion besteht auch bei späterem Eingreifen noch Aussicht auf Erfolg
  • Notfallmässige operative Hodenfreilegung skrotal (Jugendliche) oder inguinal (Säuglingen)
  • Weder Sonographie noch klinische Untersuchung sind 100% spezifisch

Hydatidentorsion

  • Residuen von embryonalen Strukturen (Müllersche Gänge) können ebenfalls torquieren
  • Symptome sind in der Regel innerhalb weniger Tage spontan regredient, symptomatische Schmerztherapie mit NSAR kombiniert mit Paracetamol.
  • Bei ausgeprägtem Befund und anhaltenden Schmerzen skrotale Freilegung in Erwägung ziehen.

Epididymitis

  • Druckdolenz der Epididymis
  • Sonographisch Vergrösserung des Nebenhodens und gesteigerte Durchblutung
  • bei präpubertären Knaben sehr selten bakterieller Genese. Achtung bei vorbestehender urogenitaler Malformation (hier ist eine kinderurologische Abklärung indiziert)
  • Pubertär und sexuell aktiv: Chlamydien oder Gonokokken
  • Urinstatus und Urinkultur; Behandlung mit NSAR symptomatisch, nur bei Leukocyturie antibiotisch (z.B. TMP/SMX). Ätiologie meist idiopathisch und Urinkultur in der Regel steril.

Orchitis

  • Oft Epididymorchitis
  • Differentialdiagnose „alte“ Hodentorsion oder spontan detorquierter Hoden mit reaktiver Hyperperfusion. Deshalb immer kinderchirurgisches/ kinderurologisches Konsil.
  • Behandlung in der Regel konservativ mit Antibiotika, wenn nicht virale Begleitentzündung (früher: Mumps) .

Akutes idiopathisches Scrotalödem

  • akut einsetzende starke Schwellung einer oder beider Skrotalhälften
  • Dolenz der Haut und weniger des Hodens
  • Ursache unklar, a.e. lokales allergisches Phänomen


NACHKONTROLLEN

  • Primär Kinderarzt.
  • Je nach Besprechung nach kinderchirurgischem/kinderurologischem oder allenfalls nephrologischem Konsil auch die entsprechende Spezialsprechstunde

Merke

Das akute Scrotum hat verschiedene Ursachen, wovon die Hodentorsion die dringlichste ist, da eine möglichst kurze Ischämiezeit den Hoden retten kann

Literatur

  • Are antibiotics necessary for pediatric epididymitis? Pediatr Emerg Care. 2011 Mar;27(3):174-8
  • Testicular torsion: twists and turns. Semin Ultrasound CT MR. (2007)4:317-328
  • The acute scrotum in childhood, Pediatr Surg Int 4: 185-188
  • Evaluation of the pediatric patient with a non-traumatic acute scrotum: AUA Update Series (2005), Volume 25, Lesson 12
  • Acute epididymitis in Greek children: a 3-year retrospective study. Eur J Pediatr (2008) 167:765–769
  • Acute epididymitis in ultrasound: Results of a prospective study withbaseline and follow-up investigations in 134 patients. European Journal of Radiology 82 (2013) e762– e768
  • Urinalysis in Children with Epididymitis. Eur J Pediatr Surg 2010; 20: 247 – 249
  • Torsion of the Testicle. Pediatric Emergency Care &Volume 28, Number 1, January 2012
  • Evaluating the necessity of antibiotics in the treatment of acute epididymitis in pediatric patients. A Literature Review of Retrospective Studies and Data Analysis. Pediatr Emer Care 2017