Akute (RSV-) Bronchiolitis

15.11.24 - aktualisiertes Merkblatt

23.12.19 - RSV Diagnostik angepasst

25.03.19 - iv-Flüssigkeitsbedarf: Indikationen präzisiert und enger gefasst (statt "Aspirationsgefahr")

24.08.17 - Pulsoxymetrie: Kriterien zu Diagnostik und Hospitalisation präzisiert

Inhaltsverzeichnis

Autoren: Nicolas Regamey, Marco Lurà (Kinderpneumologie), Alex Donas (Notfall), Michael Büttcher (Kinderinfektiologie)
Version: 04/2017, akt. 11/2024

Definition

Viraler Infekt der kleinen Atemwege (Bronchiolen) mit erhöhter Atemarbeit, diffusen bilateralen Rasselgeräuschen (crackles) und Giemen, bei Säuglingen und Kleinkindern unter 12 Monaten. Epidemisches Vorkommen während Wintermonaten.

Inzidenz

  • 10% im 1. Lebensjahr, 1/10 davon muss hospitalisiert werden
  • In Luzern 100-200 Säuglinge pro Saison mit Bronchiolitis hospitalisiert (VOR Start Nirsevimab Saison 2024/2025)

Risikopatienten

Frühgeborene, Säuglinge < 2 Monate, vorbestehende Herz-/Lungenkrankheiten, Immunschwäche, neuromuskuläre Erkrankungen, Trisomie 21, Passivrauchexposition.

Ursache

  • RSV in 70-85%
  • Andere: Rhinovirus, Parainfluenza-, Influenza-, Adenovirus, humanes Metapneumovirus (hMPV). Oft Misch-infektionen (verschiedene Viren, Chlamydien, Mykoplasmen): protrahierter Krankheitsverlauf möglich.

Klinik

  • Prodromalstadium mit Rhinitis über 2-3 Tage
  • trockener Husten, Tachydyspnoe
  • meist nicht sehr hohes Fieber
  • Trinkschwäche
  • Leises Atemgeräusch, exspiratorisches Knisterrasseln („crackles“), Wheezing
  • Hypoxämie, Zyanose
  • Apnoen (bei kleinen Säuglingen evtl. erstes Zeichen)

 

Schweregrad

 

 

Leicht

Mittel

Schwer/

lebensbedrohlich

Allgemeinzustand

normal

Irritabel, agitiert

apathisch

Atemfrequenz

< 60/min

≥60/min

> 70/min

O-Sättigung (unter Raumluft)

> 92%

88-92%

< 88%

Einziehungen (subkostal, sternal, thorakal), Nasenflügeln

fehlend

+

++

Ernährung

problemlos

erschwert, aber Trinkmenge >50% der normalen Tagesmenge

Trinkmenge <50% der Tagesmenge; Atemnot beim Trinken

Diagnostik

  • Klinisch!
  • Pulsoxymetrie: Wichtigster Hilfsparameter (Merke: Nase vor der Pulsoxymetrie gut reinigen -> bessere SpO2-Werte!)
  • Bei Hospitalisation (nicht bei ambulanten Patienten): Erregernachweis im Nasopharyngealsekret (NPS): Kombi-PCR nach sep. Schema
  • Bei schwerer Krankheit, reduziertem AZ, septisch wirkendem Kind:
    • BGA, Elektrolyte (v.a. Natrium), Glucose, CRP, differenziertes Blutbild
    • evtl. BK, Urinstatus/Uricult
    • evtl. Thorax-Röntgenbild ap (Befunde unspezifisch: Überblähung, atelektatische Bezirke und Infiltrate v.a. der Lungenoberfelder)

Kriterien der Hospitalisation

  • Mittelschwere/schwere Bronchiolitis. Merke: Immer Zeitverlauf berücksichtigen! Krankheitsgipfel Tag 3-5
  • Zunehmende Ateminsuffizienz (u.a. Zunahme der Tachypnoe und Einziehungen)
  • Apnoen, Zyanoseepisoden
  • Ungenügende Sauerstoffsättigung (SpO2 <90% >1min). Merke: „stundenlange“ SpO2-Überwachung auf der Notfallstation sinnlos. Auch bei kurzdauernden Entsättigungen (< 1 Min; SpO2>80%) ambulante Betreuung möglich
  • Ungenügende Flüssigkeitsaufnahme
  • Zugrunde liegende Erkrankungen wie CF, BPD, kongenitale Herzfehler usw.
  • Schwierige soziale Umstände, langer Anreiseweg
  • Alter < 2 Monate (korrigiert): Hospitalisation für mindestens 1 Nacht (Risiko von Apnoen)

Therapie

  • Aufklärung über Krankheit und Verlauf inkl. Abgabe Merkblatt Umfassende Betreuung und ausführliche Beratung für Ihre Patienten
  • Supportive Massnahmen, Lagerung, minimal handling!
  • Wichtig: gute Nasentoilette! (Absaugen, abschwellende Nasentropfen)
  • O2 bei SpO2 konstant < 90% oder bei schwerer Dyspnoe (Trichter, Nasenbrille)
  • Ernährung
    • Erhöhung der Mahlzeit-Frequenzen (z.B. von 6 MZ/Tag auf 8 MZ/Tag)
    • Keine Einschränkung der Trinkmenge
    • Minimal zu erreichende Flüssigkeitszufuhr: 2/3 der errechneten GF (Faustregel: erste 3 LMt 100ml/kg; 3-12 LMt 80ml/kg)
    • Magensonde bei ungenügender Trinkmenge oder hoher Atemfrequenz (>60/min). Kleine Magensonde wählen – evtl. Magensonde durch den Mund legen, damit Nasenatmung unbehindert ist
    • i.v. Flüssigkeit nur bei Aspirationsgefahr, sehr schlechtem AZ, schwerer Tachypnoe oder Dehydrierung (bringt in den meisten Fällen keinen Vorteil und nur Risiken). Cave Flüssigkeits-Überladung und Hyponatriämie durch SIADH!
  • Paracetamol bei Fieber und/oder bei Schmerzen (evtl. fixe Gabe)
  • Chloralhydrat niedrigdosiert bei starker Aufregung
    • 10-15mg/kg/Dosis, 6 stdl; allenfalls Steigerung auf 20 mg/kg/Dosis, 6 stdl
    • Alternativ bei Lieferengpass Alimemazin 1mg/kg alle 8 Stunden bei Bedarf p.o, max 3 Dosen pro Tag. Vorsicht bei:
      • Pat < 6 Mten da potentiell atemdepressiv,
      • Hypovolämie,
      • Hypokaliämie und eingeschränkter Nieren- sowie Leberfunktion
  • Inhalationen mit Salbutamol (Ventolin): 0.25ml der Lösung 0.5% in 2ml NaCl 0.9%. Ggf. einmaliger Versuch bei älteren Kindern mit Mischbild Bronchiolitis/obstruktive Bronchitis. Bei gutem Ansprechen weiter, ansonsten stopp. Cave: v.a. kleine Säuglinge können sich nach Inhalation vorübergehend verschlechtern (steigender O2-Bedarf, Apnoe), deshalb nach Inhalationsversuch immer für einige Minuten direkt überwachen
  • High-Flow O2-Therapie bei mittelschwerem bis schwerem Atemnotsyndrom und/oder CO2 Retention mit ausbleibender Besserung unter low-Flow O2 Therapie (Richtwerte für High-Flow Start: SpO2 persistierend <90%, pCO2 ≥ 7.0 kPa bei AF ≥90/min oder ansteigende PCO2-Werte)
  • Physiotherapie: in der Akutphase nur Lagerungsinstruktion (minimal handling!). Keine aktiven Massnahmen (können O2-Abfall bewirken). Bei stabilen, belastbaren Säuglingen Massnahmen zur Sekretmobilisation und Ventilationverbesserung erwägen.
  • Inhalationen mit NaCl 3% können bei protrahiertem Verlauf, Atelektase-Bildung oder sehr zähem Sekret versucht werden (Physiotherapie beiziehen). Dosis: Salbutamol (Ventolin) 0.25ml der Lösung 0.5% in 2-4ml Mucoclear 3% 3x tgl.

 

Nicht empfohlen

Isolation

Überwachung

  • Dauersättigungsmonitor sicher
    • solange O2-Bedarf
    • bei Alter < 2 Monate
    • bei stark reduziertem Allgemeinzustand, ausgeprägtem ANS, beobachteten Bradykardien und SpO2-Abfällen
    • bei Risikopatienten (s.o.)
    • Grosszügig bei Kinder <12 Monate
  • Ansonsten punktuelle SpO2-Messung anlässlich der Routine-Pflegekontrollen oder bei Bedarf möglich
  • Grosszügige BGA-Kontrollen bei schwerem Verlauf (CO2-Retention? Hyponatriämie?)

Austrittskriterien

  • Stabiler, guter AZ
  • Kind trinkt selber ausreichend (2/3 des normalen errechneten Tagesbedarfes genügt, s.o.)
  • Kein Sauerstoffbedarf: 1 längere Schlafphase mit SpO2 ≥90%; kurzdauernde Entsättigungen (< 1 Min; SpO2>80%) können toleriert werden. Merke: bei > 50% der Kinder ist "zu tiefe" Sättigung einziger Rest-Parameter, der Hospitalisation unnötig verlängern kann (um durchschnittlich knapp 3 Tage)

Literatur

  • Meissner HC. Viral Bronchiolitis in Children. N Engl J Med. 2016 May 5;374(18):1793-4
  • Principi T et al. Effect of Oxygen Desaturations on Subsequent Medical Visits in Infants Discharged From the Emergency Department With Bronchiolitis. JAMA Pediatr. 2016 Jun 1;170(6):602-8
  • Ralston SL et al. American Academy of Pediatrics. Clinical practice guideline: the diagnosis, management, and prevention of bronchiolitis. Pediatrics. 2014 Nov;134(5):e1474-502
  • Drysdale, S. et al, HARMONIE Study Group (2023). Nirsevimab for Prevention of Hospitalizations Due to RSV in Infants. The New England journal of medicine, 389(26), 2425–2435. https://doi.org/10.1056/NEJMoa2309189