Fieberkrampf (FK): Procedere auf der Notfallstation
02.12.21 - Nachkontrolle: auch nach eindeutig fokalem Fieberkrampf empfohlen
01.12.21 - Typisches Alter 6 Mte bis 6 Jahre eingefügt
AutorInnen: Martina Bieri (INS), Florian Bauder (Neuropädiatrie)
Freigabe: Alex Donas (INS)
Version: 10/2021
Hintergrundinformationen unter Fieberkrampfmerkblatt (Kispi-Wiki | Fieberkrampf : Information für Eltern)
Definitionen / Diagnose
Sehr gute Prognose. 85% generalisierte klonisch oder tonisch-klonische Anfälle. Fokale Anfälle in 8%.
- unkomplizierter (einfacher) Fieberkrampf:
72% aller FK, primär generalisiert, Dauer < 10 min
Typisches Alter 6 Mte bis 6 Jahre
- komplizierter (komplexer) Fieberkrampf:
+/- prolongiert (Dauer > 10 Minuten)
+/- fokal
+/- innerhalb 24h erneut auftretend
- Status epilepticus:
Prolongierter Krampfanfall oder rezidivierende Krampfereignisse. Prolongierter Fieberkrampf in 25% aller Status epileptici im Kindesalter. Separates Merkblatt (Kispi-Wiki | Status epilepticus).
- Komplikationen
- Todd'sche-Parese: vorübergehende Lähmungserscheinung nach Krampfereignis, Hinweis auf fokalen FK
Ursachen
Meist virale Infektionen (führend HHV-6, Influenzavirus), etwas gehäuft bei Eisenmangelanämie (Ferritinkonzentrationserniedrigung), auch Alkalose wird als möglicher Trigger beschrieben.
Anamnese
- Hinweis auf Fieberfokus (Husten, Erbrechen, Stuhlgang, Miktion, Schmerzen…)
- Impfstatus
- Bisherige Entwicklung
- Vorerkrankungen
Status
- Infektfokus
- Neurostatus
Therapie
Nach 2-3 Minuten Diazepam Rektiole (< 6-jährig)
- < 20 kg: 5 mg
- > 20 kg: 10mg
--> Bei Status epilepticus siehe Merkblatt (Kispi-Wiki | Status epilepticus).
Differentialdiagnosen
- konvulsive Synkopen
- Affektkrämpfe
- Schüttelfrost
- Erstmanifestation einer Epilepsie (häufig erst im Verlauf diagnostizierbar -> Hinweise durch: Anfallssemiologie, gering erhöhte Körpertemperatur, atypisches Alter, EEG-Hinweise) bei 13-19% aller Kinder mit afebrilen Anfällen gingen Fieberkrämpfe voraus
- Brugada-Syndrom (Familienanamnese positiv für kardiogene Synkopen/ plötzlichen Herztod)
Untersuchungen / Labor
Der klinische Befund bestimmt das Vorgehen. Bei unkompliziertem FK und postiktal unauffälligem Kind sind keine Blutuntersuchungen notwendig.
- Bei Fieber ohne Fokus vorgehen nach Merkblatt (Urin, ggf. Labor).
- Bei Hw. a. Meningismus Lumbalpunktion (Prävalenz einer bakt. Meningitis bei unkompliziertem FK nur 0.2%)
- bei Status epilepticus: Hämatogramm, CRP, BGA mit Elektrolyten, Mg, ev. Reserve-Serum (Kispi-Wiki | Status epilepticus)
Procedere
- Aufklärung der Eltern (siehe unten)
- stationäre Beobachtung bei klinisch unauffälligem Kind nach unkompliziertem FK nicht notwendig, bei kompliziertem Fieberkrampf häufig auch aufgrund Verunsicherung der Eltern empfohlen
- Zuweisung in neuropädiatrische Sprechstunde:
- Bei entwicklungsverzögerten Kindern mit kompliziertem Fieberkrampf empfohlen
- nach Status epilepticus oder eindeutig fokalem Fieberkrampf
Aufklärung Eltern
Eltern erleben einen FK als lebensbedrohliches Ereignis, welches zu sehr grosser Verunsicherung führen kann. Eine ausführliche Aufklärung ist deshalb extrem wichtig.
- Information inklusive Abgabe Fieberkrampf-Merkblatt
- Ergänzung: keine negativen Auswirkungen auf intellektuelle Entwicklung nach FK nachgewiesen, Epilepsierisiko nur leicht erhöht, (Auftreten einer Epilepsie lässt sich nicht verhindern), stärkster Risikofaktor sind rezidivierende FK
- Instruktion und Abgabe von Diazepam (Mit Dummy-Diazepam demonstrieren und üben)
- Antipyrese verhindert nicht sicher das Auftreten von FK --> Verabreichung gemäss klinischer Indikation empfohlen
Abkürzungen:
FK: Fieberkrampf, HHV-6: Humanes-Herpes-Virus-6 (3-Tage-Fieber)
Quellen
- Kurlemann, G., Fieberkrämpfe. Monatsschrift Kinderheilkunde 169, 69–80 (2021). https://doi.org/10.1007/s00112-020-01019-2
- S. Walz, Fieberkrämpfe, Z Epileptol 2009, 22: 204-208
- Patel N. Febrile seizures, BMJ 2015;351:hh420 https://www.bmj.com/content/bmj/351/bmj.h4240.full.pdf
- Tracy Glauser et al, Evidence-based Guideline: Treatment of Convulsive Status Epilepticus in Children and Adults: Report of the Guidelines Committee of the American Epilepsy Society, AES, Vol 16, Issue 1, 2016