Fremdkörperaspiration Merkblatt

12.07.23 - Hinweis auf den Dienstplan statt Tel Nr Pneumo ergänzt

15.02.22 - Erreichbarkeit Kinderpneumo korrigiert: Neu Dienstplan

11.11.21 - Rollenverteilung weiter präzisiert, flowchart angepasst

02.07.21 - Rollenverteilung und Aufgaben weiter konkretisiert

26.05.21 - Folgende Präzision im Behandlungsablauf: Bei Abwesenheit des Kinderpneumologen soll dieser telefonisch benachrichtigt werden über die Telefonzentrale des LUKS, Tel 111 -> (1) Prof. Regamey, (2) Dr. Lurà, (3) Dr. Hitzler.

Inhaltsverzeichnis

Autoren: Prof. Dr. med. Nicolas Regamey (Pädiatrische Pneumologie), Dr. med. Christoph Schlegel (HNO), Dr. med. Martin Hölzle (Anästhesie), Prof. Dr. med. Philipp Szavay (Kinderchirugie), Markus Diehl (Operationsabteilung Kinderspital), Monika Molisak (Operationsabteilung HNO Op), Dr. med. Patrick Imahorn (Kindernotfallstation), Prof. Dr. med. Thomas Neuhaus (Chefarzt Pädiatrie)
Version: 12/16, akt. 12/18, akt. 07/2019, 02/2022

Vorkommen

  • Typische Altersgruppe: mehrheitlich kleine Kinder (Häufigkeitsgipfel 1 – 3 Jahre)
  • Knaben doppelt so häufig wie Mädchen betroffen
  • Fremdkörper
    • Nahrungsmittel (V.a. Nüsse, Weintrauben, Karotten, Äpfel)
    • Bei älteren Kindern auch kleine Spielzeugteile (Plastik, Metall) und Gebrauchsgegenstände (z.B. Schrauben, Nadeln)
  • Rechtseitiges Bronchialsystem häufiger betroffen als das linksseitige

Symptome

  • Beobachtetes Aspirationsereignis
  • Plötzlicher Husten, ggf. Verbunden mit Atemnot, Stridor, pfeifender Atmung und/oder Zyanose
  • Bei unerkannte Fremdkörperaspiration evtl. akuter oder chronischer Husten/Atemwegsinfekt
  • Bei anamnestischem Verdacht auf Fremdkörperaspiration sind folgende Informationen wichtig:
    • was genau wurde aspiriert (evtl. Vergleichsobjekt mitbringen lassen), Lebensmittel gekocht oder roh, geschält?
    • Ereignis beobachtet oder nur vermutet?
    • wann ist Ereignis aufgetreten?
    • initiale Symptome? Symptome im Verlauf?
    • wann letzte Mahlzeit?

Diagnostik / Evaluation

  • Das beobachtete Aspirationsereignis ist das sensitivste und spezifischste Zeichen für eine Fremdkörperaspiration
  • Klinische Befunde
    • Häufig in- oder exspiratorischer Stridor oder exspiratorisches Giemen
    • Evt. einseitig oder regional abgeschwächtes oder fehlendes Atemgeräusch
  • Im Notfall ist ein Röntgen-Thorax meistens verzichtbar Radiologische Zeichen:
    • Aspirierte Fremdkörper sind meist nicht röntgendicht und daher im Röntgen-Thorax nur selten unmittelbar zu sehen
    • Falls eine Röntgen-Thorax Aufnahme veranlasst wird, genügt eine Ebene = ap (antero-posterior). Rx-Bild möglichst in Exspirationsstellung durchführen
    • Umschriebene Überblähung durch Ventilmechanismus auf der Fremdkörperseite, ggf. mit Mediastinalverlagerung zur Gegenseite
    • Gelegentlich diskrete Verminderung der Lungengefässzeichnung oder Atelektase auf der Fremdkörperseite mit kompensatorischer Überblähung der Gegenseite
    • Achtung: Ein normales Röntgenbild schliesst einen Fremdkörper nicht aus.
  • Weder klinische noch radiologische Befunde erlauben eine sichere Diagnose oder Ausschluss einer Fremdkörperaspiration!
    • Bei Verdacht auf FK-Aspiration muss immer eine Bronchoskopie durchgeführt werden. Nur diese erlaubt die sichere Diagnose oder den Ausschluss einer Fremdkörperaspiration.

Flowchart

LINK grössere Ansicht

►Um den Kispi-OP zu benützen müssen vorinformiert sein: OP-Pflege, Kinderchirurgie-Dienst(Ober)Arzt, Anästhesie sowie "Operateure" wie oben erwähnt

Vorgehen bei V.a. Fremdkörperaspiration

  • Kinder mit akuter oder schwerwiegender respiratorischer Alteration benötigen eine dringende Evaluation und Fremdkörperentfernung
  • Zur Festlegung des Procederes wird das Kind frühzeitig dem Kinderpneumologen und Dienstarzt HNO vorgestellt. Bei Abwesenheit des Kinderpneumologen soll dieser telefonisch benachrichtigt werden über die Telefonzentrale des LUKS. Nach Rücksprache mit dem Kinderpneumologen übernimmt der Dienstarzt HNO die Führung des Patienten
  • Konkrete Rollenverteilung/Aufgaben 
    • AA INS
      • Informiert Dienst-OA Kinderpneumologie (gemäss Hintergrunddienstplan)
      • Informiert Dienstarzt HNO (1350)
      • Informiert Anästhesie (1425 Mo.-Fr. 07h-19h oder 1501)
      • Füllt die Op-Anmeldung aus (flexible Bronchoskopie durch Kinderpneumologie + Starre Bronchoskopie durch HNO = 2 Panels)
      • Informiert KISPI OPS Team (1. Dienst &. 2. Dienst) unter 1260, falls ausserhalb der Arbeitszeiten, Verbindung mit Pikett über Telefonzentrale 111 (Interventionszeit 35 Minuten) oder Liste im Stationsbüri INS
      • OA Kinderpneumologie
        • Füllt Einverständniserklärung für die flexible Bronchoskopien aus
      • DA/OA HNO
        • Füllt Einverständniserklärung für die starre Bronchoskopie aus
  • Meist präsentieren sich die Kinder jedoch in einer klinisch mehr oder weniger stabilen Situation. In diesen Fällen ist es sinnvoller die weitere Diagnostik unter Einhaltung der Nüchternzeiten und optimaler Vorbereitung durchzuführen.
  • Grundsätzlich besteht jedoch während dieses Zeit ein Risiko bezüglich möglicher Zunahme der Symptomatik durch Anschwellen des Fremdkörpers oder einer Mobilisation desselben. Deshalb ist eine entsprechende Überwachung notwendig.
  • Um ein möglichst schonendes Vorgehen für das Kind, eine gute Diagnostik und einen raschen Ablauf zu ermöglichen, wird nach Möglichkeit initial eine flexible Bronchoskopie über die Frey- oder Larynx-Maske durchgeführt. Erst bei Nachweis und Lokalisation eines Fremdkörpers in den Atemwegen wird dann auf eine starre Bronchoskopie gewechselt. In ca. 3/4 der Fälle wird bei V.a. Fremdkörperaspiration in der Bronchoskopie ein Fremdkörper gefunden (Zahlen LUKS bei 209 Bronchoskopien, publiziert von Reimers und Schlegel 1995 in Aktuelle Probleme der ORL). Zusätzlich muss eine Fremdkörperingestion im Ösophagus ausgeschlossen werden.
  • Die flexiblen und starren Bronchoskopien werden im Kispi-Op durchgeführt.

Vorbereitende Massnahmen bei stationärer Aufnahme zur Überwachung bzw. vor Bronchoskopie

  • Aufklärung Bronchoskopie gemäss Aufklärungsbogen (hier klicken)
  • Periphere intravenöse Leitung, evtl. Blutentnahme bei Verdacht auf Infektion
  • Evtl. systemische Steroide (Methylprednisolon 2mg/kg iv) zur Abschwellung der Atemwege
  • Antibiotika (Co-Amoxicillin 40mg/kg 12 stdl. iv) gemäss Situation (Infektzeichen, Verdacht auf länger liegenden Fremdkörper)
  • Inhalationen mit Salbutamol (Ventolin 2 Hübe <20kg; 4 Hübe >20kg via Vorschaltkammer) 20 Minuten vor der Bronchoskopie

Überwachung vor Bronchoskopie

  • Normalstation mit SpO2-Monitoring
  • Puls, Atemfrequenz und Temperatur initial 2 stündlich

Bronchoskopie 

  • Zuerst flexible Bronchoskopie zur Inspektion der Atemwege und Fotodokumentation (via Frei-Maske, in Spontanatmung) 
  • bei Nachweis eines Fremdkörpers, Wechsel auf starre Bronchoskopie zur Fremdkörper-Extraktion 
  • Nach erfolgter Fremdkörper-Extraktion, immer Kontrollgang und Fotodokumentation mit flexibler Bronchoskopie zum Ausschluss eines zweiten oder residuellen Fremdkörpers

Entlassungskriterien

Ist der Patient 2 Stunden nach erfolgreicher Fremdkörper-Bergung beschwerdefrei (auskultatorisch unauffällig, SaO2 ≥95% ohne Sauerstoffgabe) und bestehen aus Sicht des Operateurs/der Anästhesie keine Kontraindikationen (z.B starke Blutung bei der FK-Entfernung) kann er nach Hause entlassen werden.

Literatur

1. C. E. Interdisziplinäre Versorgung von Kindern nach Fremdkörperaspiration und Fremdkörperingestion. AWMF Leitlinien-Register Nr 001/031- S2k Leitlinie 2015.
2. Mani N, Soma M, Massey S, Albert D, Bailey CM. Removal of inhaled foreign bodies--Middle of the night or the next morning? International Journal of Pediatric Otorhinolaryngology 2009;73:1085-9.