IgA - Vaskulitis (vormals Purpura Schönlein - Henoch)

15.01.25 - Aktualisierte Version

13.10.23 - Ergänzung Hautbiopsie und deren Vorgehen Zur Diagnosesicherung kann eine Hautbiopsie in Erwägung gezogen werden. Dies sollte insbesondere vor Gabe von Glukokortikoiden überlegt werden

11.10.19 - Neuer Artikel INKL. Elternmerkblatt

Inhaltsverzeichnis

Autoren: Dr. L. Simma (INS), Prof. T.J. Neuhaus (Chefarzt Pädiatrie)
Version: 10/2019, akt. 10/2023 Prof J. Roth (Kinderrheumatologie) sowie akt. 11/2024 Dr. M. Feldkötter / Prof. J. Roth

Key Points

  • Meist ist die Erkrankung selbstlimitierend und benötigt nur eine symptomatische Therapie.
  • Engmaschige Nachkontrollen zum Erkennen von Nierenbeteiligung (Glomerulonephritis) sind von grösster Bedeutung.

Grundlagen

Die IgA Vaskulitis, abgekürzt IgAV (früher Purpura Schönlein -Henoch / Schönlein-Henoch Syndrom, Henoch-Schönlein Purpura) ist die häufigste Vaskulitis im Kindesalter. Charakteristisch ist die "Tetrade" von palpabler Purpura, Arthralgie/Arthritis (fugax), abdominellen Beschwerden und Nierenbeteiligung. Die Symptome können gemeinsam, sequentiell (häufig zuerst Bauchschmerzen) oder einzeln auftreten. Am häufigsten sind Kinder im Alter von 2-8 Jahren betroffen, etwas häufiger das männliche Geschlecht. In ca. 50% gibt es eine positive Anamnese für einen oberen Luftwegsinfekt. Eine Sonderform bei Kindern im Alter von 4 Monaten bis 2 Jahren stellt das akute hämorrhagische Ödem des Kindesalters dar.

Klinik

  • IgAV ist durch palpable Purpura (bei normaler Thrombozytenzahl) ggf. mit Arthritis / Arthralgie, Bauchschmerzen und / oder Nierenbeteiligung (ca. 20-60%) (Hämaturie / Proteinurie / Hypertonie) charakterisiert.
  • Es kann Tage bis Wochen dauern, bis sich alle klinischen Manifestationen von IgAV vollständig zeigen, und die Reihenfolge ihres Auftretens kann variieren.
  • Purpura sind bei nahezu allen Patienten vorhanden, jedoch nicht immer der primäre Vorstellungsgrund.
  • Abdominelle und renale Komplikationen müssen aktiv ausgeschlossen werden.
  • selten: bei Knaben leichte Orchitis (10-20%), vereinzelte Berichte über neurologische Symptome (Krämpfe, Hirnblutung), Karditis, Uveitis und pulmonale Hämorrhagie.
  • Mehr Bilder: siehe Referenzen unten, oder Internet

 

Untersuchung

  • Vitalparameter: Blutdruck (arterielle Hypertension?)
  • Haut: palpable Purpura (auch bullös möglich) oder Ecchymosen typischerweise an den unteren Extremitäten (bzw. schwerkraftabhängig) sowie Gesäss, eher streckseitig betont (selten auch weiter kranial lokalisiert ).
  • Gelenke: Arthralgie/Arthritis fugax (wechselnde Lokalisation) der grossen Gelenke der unteren Extremität, normalerweise kein relevanter Erguss oder Überwärmung. Dauer meist 24-72h.
  • Gastrointestinaltrakt: ca. 50% sind in Form von unspezifischen Bauchschmerzen betroffen. Ausschluss von Invagination, Ileus, GI-Blutung, Hodentorsion, etc.
  • Urinanalyse: Proteinurie (mehr als 1+), Mikrohämaturie, Makrohämaturie (dokumentieren), art. Hypertension, nephrotisches/nephritisches Syndrom, Niereninsuffizienz.

Differentialdiagnosen

  • Petechien bei Thrombozytopenie (nicht palpabel) z.B. Immunthrombozytopenie (ITP), Leukämie
  • Petechien parainfektös
  • Meningokokkensepsis
  • Akutes hämorrhagisches Ödem des Kleinkindes (Kleinkinder <2 Jahre)

Labordiagnostik

  • Hämatogramm (ev. mit Fragmentozyten), Kreatinin, Harnstoff / Elektrolyte / Kreatinin und Albumin + Serumeiweiss
  • Urinstatus mit Sediment und Urin-Protein-Kreatinin-Quotient
  • Blut- und Urinkultur
  • sowie unter anderem: ANA, dsDNA, ANCA, anti-GBM, C3 / C4 bei signifikanter Nierenbeteiligung mit unklarer Diagnose (siehe Merkblatt Glomerulonephritis)

Bildgebung

  • evtl. Sonographie, Rö Abdomen leer

Biopsie

  • Zur Diagnosesicherung kann eine Hautbiopsie in Erwägung gezogen werden. Dies sollte insbesondere vor Gabe von Glukokortikoiden überlegt werden (s.u. Vorgehen Hautbiopsie)
  • Nierenbiopsie bei Nierenbeteiligung insbesondere bei grosser Proteinurie und/oder eingeschränkter Nierenfunktion

Kriterien zur Klassifikation der IgA-Vaskulitis im Kindesalter (sog. Ankara-2008-Kriterien)

 

Palpable Purpura oder Petechien (obligates Kriterium) vorwiegend an lageabhängigen Körperregionen plus eines der folgenden Kriterien (Sensitivität 100 %, Spezifität 87 %):

  1. Bauchschmerzen: Diffuse, akut beginnende kolikartige Bauchschmerzen. Mögliche weitere Manifestation: Invagination, Hämatochezie
  2. Arthritis oder Arthralgie: akuter Beginn
  3. Renale Beteiligung: Hämaturie, Albuminurie oder Proteinurie
    • (Albumin-Kreatinin-Ratio > 0,03 g/g (entspricht > 3 mg/mmol) oder Eiweiß-Kreatinin-Ratio im spontanen Morgenurin > 0,2 g/g (entspricht >20 mg/mmol)), glomeruläre Hämaturie (> 5 % Akanthozyen) oder Erythrozytenzylinder oder Erythrozyten ≥ 2 + (entspricht ca. 25/μl) im Urin-Teststreifen
  4. Histopathologie (Haut/Niere): typische leukozytoklastische Vaskulitis oder mesangioproliferative Glomerulonephritis mit Ablagerung überwiegend IgA-enthaltender Immunkomplexe

Behandlung

NSAR bei Gelenkschmerzen (cave: bei signifikanter Nierenbeteiligung stoppen)

Glukokortikoide bei:

  • Orchitis
  • Zerebrale Vaskulitis
  • Lungenblutung
  • andere schwere Organmanifestationen
  • starke Bauchschmerzen und/oder rektale Blutungen
    • Dosis Prednisolon/Prednison 1–2 mg/kg/Tag bis maximal 75 mg pro Tag
    • 1 Woche dann Ausschleichen 1 Woche

Methylprednisolon z. B. 10–30 mg/kg mit maximal 1 g/kg bei schweren Fällen

Als Prophylaxe der Nierenbeteiligung nicht geeignet

Bei Nierenbeteiligung

  • ggf. Steroidstosstherapie und in der Folge orale Glukocortikoide

Prognose/Nachsorge

  • Bei unkomplizierter PSH verschwinden die Symptome in 4-6 Wochen, wobei sich der Ausschlag zuletzt zurückbildet.
  • Gelenksschmerzen bessern sich in der Regel innert 3 Tagen. Wechselnde Lokalisation möglich.
  • Ohne Komplikationen dauern Bauchschmerzen etwa 24-48 h an.
  • Selten kann es zu Rückfällen kommen, die meist milder und kürzer ausgeprägt sind. Schubweiser Verlauf über mehrere Wochen möglich. Spätrezidive sind selten.
  • Falls eine Nierenbeteiligung auftritt, geschieht dies in der Mehrzahl innert 2 Monaten und quasi immer innerhalb von 6 Monaten nach Krankheitsbeginn (97%).
  • Das Risiko für bleibende Nierenfunktionsstörung ist niedrig (1-2%)
  • Zur Erfassung einer Nierenbeteiligung soll bei allen Patienten ein Urinstatus sowie eine Blutdruckmessung erfolgen. Bei Proteinurie und/oder arterieller Hypertonie sollte eine weiterführende Diagnostik erfolgen. Nach abgelaufener IgA Vaskulitis soll der Urin -auch ohne vorherige Nephritis-immer mittels eines Urinstatus über 6 Monate kontrolliert werden
  • In der Schweiz ist folgendes Schema (Wilhelm-Bals A, et. al, Paediatrica Vol 24, Nr.3, 2013) allgemein akzeptiert:
  • bei Makrohämaturie, art. Hypertonie, Proteinurie muss eine Glomerulonephritis-Diagnostik erfolgen mit nephrologischer Abklärung

 

Vorgehen Nierenbeteiligung

Therapie der Nephritis

Bei Nierenbeteiligung - in jedem Fall bei einer schweren und/oder anhaltenden Proteinurie oder einer eingeschränkten GFR- sollte das Vorgehen mit einer/m pädiatrischen Nephrologin/en abgestimmt werden.

Ein/e pädiatrische/r Nephrologe/in soll hinzugezogen werden bei großer Proteinurie (>2g/g), persistierender Proteinurie < 2g/g über 2 Monate, Makrohämaturie, arterieller Hypertonie oder eGFR < 90 ml/min*1,73m² (berechnet auf einer auf Kreatinin oder Cystatin C basierten Formel).

Vorgehen Hautbiopsie

Für die Histologie eine Biopsie aus der Läsion in Formalin.

Für die direkte Immunfluoreszenz eine Biopsie extraläsional, idealerweise in Michel'scher Lösung oder sonst NaCL, ohne Michel’sche Lösung ist die Sensitivität geringer.

Die Michel’sche Lösung ist im Ambulatorium Dermatologie verfügbar, Haus 10, 2. Stock rechts (sollte auch via Rohrpost gehen) zu den Öffnungszeiten (7.30 - 12.00, 13.00 - 17.00).

Konkret kann z.B. eine 4 mm Stanzbiopsie am Rand der Läsion durchgeführt werden, die Hälfte des Biopsats aus der Läsion selbst kann dann für die Histologie verwendet werden und die andere Hälfte für die direkte Immunfluoreszenz aus dem extraläsionalen Bereich.

Versand im Moment an das Labor Kempf und Pfalz Zürich. Foto des Röhrchens fürs Biopsat:

Sonderform akutes hämorrhagisches Ödem des Kleinkindes (AHEI)

Stichworte: Finkelstein disease, Seidlmayer syndrome, Infantile postinfectious iris-like purpura and oedema, Purpura en cocarde avec oedema, Kokardenpurpura

Bei Säuglingen und Kleinkindern (Erkrankungsgipfel 4.–24. Monat) kann als Sonderform das akute hämorrhagische Ödem des Kleinkindes („Acute Haemorrhagic Edema Of Infancy“) auftreten. Dies ist durch kokardenförmige und urtikarielle Makulae gekennzeichnet, die sich innerhalb von 2–3 Tagen hämorrhagisch umwandeln und wie Hämatome imponieren. Besonders betroffen sind neben den unteren Extremitäten die Leisten und das Gesicht sowie die Ohrmuscheln. Organmanifestationen an Nieren und Bauchorganen sind extrem selten. Eine Abheilung erfolgt zumeist innerhalb von 1–3 Wochen ohne Rezidiv.

Elternmerkblatt

Referenzen

  • Wilhelm-Bals A, et. al, Paediatrica Vol 24, Nr.3, 2013
  • Oxford Handbook of Clinical Paediatrics. 2nd. Ed.
  • The Royal Children's Hospital, Melbourne, Australia, Clinical Practice Guideline on Henoch-Schönlein Purpura, [Internet, last updated 2016; accessed 08.10.2019], Available from: https://wwww.rch.org.au/clinicalguide/
  • Hospach A et al. Die IgA(Purpura Schönlein-Henoch)-Vaskulitis 268 arthritis + rheuma 2024; 44: 268–275
  • https://register.awmf.org/assets/guidelines/185-002l_S2k_Immunglobulin_A_Vaskulitis_Purpura_Sch%C3%B6nlein-Henoch_2022-08.pdf