Abklärungen im Neugeborenenalter bei Trisomie 21

24.05.22 - aktualisierte Version

26.05.21 - Konsiliarius aktualisiert: Dr. Herenger. Website aktualisiert www.insieme21.ch

Inhaltsverzeichnis

Autor: M. Stocker
Version: 10/08, erg. 05/2021, akt. 06/2022 (K. O'Neill und M. Stocker)

Quelle: www.mummalove.com (16. März 2014)

Genetischer Hintergrund

Die grosse Mehrheit der Kinder mit Down-Syndrom hat eine sogenannte freie Trisomie 21. Die restlichen ca 5% sind auf eine Translokation zurückzuführen (meist 14;21 oder 21;21). Bei einer freien Trisomie liegt in 90-95% der Fehler bei der mütterlichen Meiose (Non-disjunction), wobei eine enge Korrelation zwischen dem mütterlichen Alter und der Wahrscheinlichkeit einer Non-disjunction besteht. Ein kleiner Teil der freien Trisomien sind väterlichen Ursprunges und ca 5% sind durch postzygotische Fehler in der Mitose bedingt.

 

Die meisten Fälle von Trisomie 21 sind sporadisch, so dass kein erhöhtes Wiederholungsrisiko bei einer weiteren Schwangerschaft besteht. Anders ist es bei einem Keimzellmosaik eines Elternteiles und bei einer Translokations-Trisomie. Statistische Analysen haben gezeigt, dass das Wiederholungsrisiko für ein zweites Kind mit Down-Syndrom abhängig von der Altersgruppe ist: Frauen ab 35-40 Jahren weisen gegenüber ihrer Altersgruppe kein erhöhtes Wiederholungsrisiko auf, hingegen besteht bei jüngeren Frauen ein leicht erhöhtes Risiko für ein zweites Kind mit derselben Chromosomenstörung (1-2%).

Klinisches Bild

Klinisch ist die Trisomie 21 durch die typischen Dysmorphiezeichen (flaches Hinterhaupt, 3. Fonta-nelle, flaches Mittelgesicht, aufsteigende Lidachse, Epikanthusfalte, Brushfield-Flecken der Iris, kleine Ohren mit stark gefalteter Helix, kurze breite Hände mit Hypoplasie der Mittelphalanx, 4-Fingerfurche, Sandalenlücke, geringe Körpergrösse, muskuläre Hypotonie) charakterisiert. Zu den häufigsten mit Down-Syndrom assoziierten Missbildungen gehören Herzfehler (ca 40-50%), Miss-bildungen des Magendarmtraktes (Duodenalatresie, Morbus Hirschsprung, Zöliakie), Hypothy-reose, Schwerhörigkeit (Schalleitungs- und sensoneurale Schwerhörigkeit) und eine Instabilität der Halswirbelsäule (atlanto-axiale Instabilität). Die Inzidenz für eine akute Leukämie ist deutlich er-höht, ebenfalls sind leukämoide Reaktionen im Neugeborenenalter bekannt. Später haben die Kinder zusätzlich ein erhöhtes Risiko für Sehstörungen (Refraktionsfehler, Nystagmus, Strabis-mus, Katarakt, Glaukom), Epilepsie und Autoimmunthyreoiditis. Die Morbidität und Mortalität ist bei Kindern und Erwachsenen mit Down-Syndrom aufgrund dieser multiplen assoziierten Missbildun-gen deutlich erhöht. Durch die besseren Vorsorgeuntersuchungen und Behandlungen ist die durchschnittliche Lebenserwartung in entwickelten Ländern mittlerweile auf >60 Jahre gestiegen.

Kinder mit Trisomie 21 sind in der Mehrzahl der Fälle im abstrakten Denken deutlich eingeschränkt. Die soziale und emotionale Kompetenz ist jedoch häufig sehr ausgeprägt. Sie sind meist äusserst sensibel und reagieren gut auf Zuwendung und Harmonie, können jedoch mit Spannungen und Konflikten nur schlecht umgehen. Wachsen die Kinder in einer harmonischen Umgebung auf, so stellen sie für das Familienleben und die Umgebung oft eine Bereicherung dar. Andererseits haben aber Kinder mit Downsyndrom ein erhöhtes Risiko für Autismus, später für Depressionen und Demenz.

Chromosomenanalyse

Bei Kindern mit Verdacht auf Trisomie 21 wird in der Regel eine Chromosomenanalyse durchgeführt, ausser pränatal wurde bereits eine Chorionzottenbiopsie oder Amniozentese gemacht. Ein NIPPT allein hingegen reicht nicht aus, so dass postnatal eine Analyse empfohlen wird. Falls es keinen medizinischen Hospitalisierungsgrund gibt, kann die Abklärung auf dem Wochenbett oder kurzfristig in der ambulanten Genetik-Sprechstunde vorgenommen werden. Im Lukis muss man Spezialversand Kispi verordnen (1 ml Heparinblut) und dem Labor das Auftragsformular und die Einverständniserklärung der Eltern von Genetica (s. Anhang) schicken. Die Diagnostik benötigt ca eine Woche. Die Kosten für die Chromosomenanalyse werden im stationären Setting über die DRG abgedeckt. In klinisch unklaren Fällen mit wenigen oder ohne typische Merkmale und ohne Hospitalisierungsgrund, kann die IV angefragt werden, ob sie die Kosten für eine ambulante Chromosomenanalyse übernimmt. Cave: wenn man Blut aus der Nabelschnur abnimmt und später daraus eine ambulante Analyse macht, muss man sicherstellen, dass die Klebetikette der ambulanten Konsultation auf das Röhrchen kommt. Ansonsten werden die Kosten trotzdem dem stationären Fall angelastet.

Zusatzabklärungen bei Trisomie 21

Folgende Untersuchungen sollen in der ersten Lebenswoche bei jedem Kind mit Trisomie 21 durchgeführt werden:

  • Echokardiographie (AV-Kanal, ASD, VSD, PDA)
  • Blutbild (leukämoide Reaktion, Thrombozytopenie, Polyglobulie)
  • Guthrie-Test (Hypothyreose)
  • OAE (Schwerhörigkeit)
  • Hüft-US (Hüftdysplasie)

Bei Ernährungs- und Bauchproblemen muss an Missbildungen des Magendarmtraktes gedacht und entsprechend abgeklärt werden (Röntgen, US, Rektalmanometrie, Schleimhautbiopsie).

Bei Kindern ohne klinischen Hospitalisationsbedarf könnten diese Untersuchungen auch ambulant oder vom Wochenbett aus durchgeführt werden, um eine unnötige Trennung von Mutter und Kind zu vermeiden.

IV-Anmeldung

Seit 2016 werden unter der GGV-Ziffer 489 alle medizinisch notwendigen Behandlungen, auch für muskuläre Hypotonie und Oligophrenie, von der IV übernommen. Dafür braucht es bei eindeutig klinischen Befunden keine Bestätigung durch eine Chromosomenanalyse.

Elterninformation

Die Eltern sollen bei Trisomie-Verdacht durch den zuständigen Oberarzt über die geplanten Untersuchungen informiert werden. Die Verdachtsdiagnose Trisomie 21 ist für die Eltern immer ein Schock, sodass man sich entsprechend Zeit für das Erst- und allfällige weitere Gespräche nehmen soll. Bei Informationsbedarf der Eltern und für die aufklärende Person gibt es mehrere hilfreiche homepages (z.b. www.insieme21.ch, www.touchdown21.info ). Dort finden sich Informationen für Eltern und Betreuungspersonen, Adresslisten und neuere Literaturhinweise. Zur Aufklärung der Eltern hilfreich ist auch der Artikel "Disclosing the diagnosis of Down Syndrome: the experience of 50 Irish parents" (AM Smith, Arch Dis Child.2019 Aug;104(8):820-821). Weitere empfehlenswerte homepages gibt es im Anhang.

Nach Bestätigung der Diagnose werden die Eltern auf die Möglichkeit einer genetischen Beratung bei Dr. Yvan Hérenger, Médecin adjoint und Konsiliararzt für genetische Probleme des Kinderspitals Luzern (Termine über Sekretariat Kinderneurologie, 041 205 32 17) hingewiesen. Ebenfalls wünscht der heilpädagogische Dienst der Innerschweiz eine frühestmögliche Anmeldung des Kindes und der betroffenen Familie.

Kontrollen nach der Neugeborenenzeit

Die allgemeinen Kontrollen sollen bei einem Kinderarzt in der Praxis erfolgen. Besonders beachtet werden die psychomotorische Entwicklung (Frühförderung), Hypothyreosescreening (mit 6 Mona-ten, dann 1x/Jahr), Adipositasprävention, regelmässige Augen- (erstmals mit 6 Monaten, dann 1x/Jahr) und zahnärztliche Kontrollen. Spezielle Aufmerksamkeit brauchen Arthritis, atlanto-axiale Subluxation, Diabetes mellitus, Leukämie sowie obstruktive Apnoen.

Eine gute Zusammenstellung bieten die Guidelines der AAP und der EDSA, sowie zum Eintragen das deutsche Down-Syndromcheckheft (DS-InfoCenter - Broschüren, Bücher) und die speziellen T21-Perzentilenkurven.

Quellen