Vorgehen bei Verdacht auf kongenitale Hypothyreose

Inhaltsverzeichnis

Autor: Dr. med. P. Tonella
Version: 04/2014

 

Einführung

Die kongenitale Hypothyreose hat eine geschätzte Prävalenz von 1:2000 bis 1:3000 Lebendgeburten und gehört zu den häufigsten Ursachen für eine mentale Retardierung. Der Prävention kommt eine grosse Bedeutung zu. 

Die TSH-Bestimmung auf Filterpapier wird seit über 40 Jahren im Rahmen des Guthrie-Tests durchgeführt, seit 2005 zentralisiert im Neugeborenen-Screening-Labor in Zürich. Bei zirka 85% der Fälle liegt eine Dysgenesie und bei 15% eine Dyshormonogenese vor.

Meldeweg

Die Verantwortlichen im Neugeborenen-Screening-Labor melden sich beim Dienst-Oberarzt der NeoIPS des Kinderspitals (041/205 1301) oder direkt bei Dr. med. P. Tonella. Die Familie des betroffenen Kindes muss noch am gleichen Tag kontaktiert und in die Notfallaufnahme des Kinderspitals aufgeboten werden.

Anamnese

Folgende anamnestischen Daten sind zu erheben:

  • Gestationsalter < 37 Wochen?
  • Geburtsgewicht (auf Perzentilkurve)?
  • Mehrlingsschwangerschaft?
  • Trink- und Schlafverhalten?
  • Schläfrigkeit?
  • Fehlendes erwachen bei den Mahlzeiten?
  • Trinkschwäche oder langsames Trinken?

Klinische Untersuchung

Folgende Befunde können auf eine Hypothyreose hinweisen: kühle Extremitäten, Ikterus, Lethargie, muskuläre Hypotonie, Makroglossie, Nabelhernie, trockene Haut, Persistenz der hinteren Fontanelle, grosse vordere Fontanelle mit breit offener Sagittalnaht.

Abklärungen

Blutentnahme (venös): fT3, fT4, TSH, Thyreoglobulin, Anti-TPO-AK, Anti-Thyreoglobulin-AK;
Schilddrüsen-Sonographie; Rx Knie links/rechts.

Klassifikation

Klinisch: je nach Ausprägung der oben aufgelistete klinischen Zeichen.
 
Laborchemisch:
  • schwer: fT4 < 5.5 pmol/l
  • mittelschwer: fT4 5.5-10 pmol/l
  • leicht: fT4 10-15 pmol/l
  • ein kaum messbares Thyreoglobulin ist suggestiv für eine Athyreose
Radiologisch: das Fehlen einer oder beider Knie-Epiphysen weist auf eine schwerere Form hin. Eine vergrösserte in situ liegende Schildrüse kommt bei Dyshormonogenesen vor; ist die Schilddrüse nicht darstellbar, besteht Verdacht auf eine Atyhreose.
 

Behandlung

Nach der venösen Blutentnahme sofortiger Therapiebeginn, falls

  • TSH auf Filterpapier > 40 mU/l oder
  • TSH venös > 20 mU/l (auch bei normalem T4) oder
  • bei niedrigem fT4 (unbeachtet des TSH-Spiegels).

Dosierung: L-Thyroxin (Eltroxin®, Euthyrox®) 10-15 mcg/kg/Tag p.o. in einer Dosis. Bei normalgewichtigen Termingeborenen: Start mit 50 mcg (z.B. Euthyrox® Tabletten 50 mcg). Tablette mit einem Kaffeelöffel vermörsern, mit wenig Wasser oder Milch mischen und verabreichen. Ist eine perorale Behandlung nicht möglich, sollte L-Thyroxin i.v. verabreicht werden. Dabei wird die Dosis auf 80% der enteralen Dosis reduziert.

Nachkontrollen

Eine erste Kontrolle in der Endokrinologie-Sprechstunde auf der Tagesklinik des Kinderspitals Luzern (041 205 32 09) ist zwei Wochen nach Therapiebeginn zu vereinbaren. Die IV-Anmeldung (IV GG 463) erfolgt anlässlich der ersten Kontrolle auf der Tagesklinik.

Quellen:

  1. European Society for Paediatric Endocrinology Consensus Guidelines on Screening, Diagnosis, and Management of Congenital Hypothyroidism. Léger J, Olivieri A, Donaldson M, et al. J Clin Endocrinol Metab 2014;99:363-384 (Abstract)