Skabies Management bei Kindern und deren Familien
03.04.24 - Nachkontrollen noch eingefügt
- Ablauf KidZ
- Allgemeine Information
- Klinisches Bild
- Diagnose
- Therapie
- Hygienemassnahmen während und nach der Behandlung
- Besuch von Schule und anderen Gemeinschaftseinrichtungen
- Bezug der Medikamente
- Patienteninformation in verschiedenen Sprachen
- Nachkontrollen
- Literatur
Autor: KD Dr. med. Michael Büttcher
Version: 10/2024
(Angelehnt an Merkblatt Skabies; Februar 2024 – Kanton ZH, Gesundheitsdirektion, Amt für Gesundheit, Kantonsärztlicher Dienst; Genehmigung von PD Dr. med. Martin Theiler Pang, Zentrum für Kinderhaut, Kinderspital Zürich.)
Ablauf KidZ
- Behandlungsbeginn kann auf KJNO erfolgen, inkl. Verschreibung und Erklärung Antiscabiosa, antientzündliche Behandlung (topisches Kortison) und Hautpflege
- Päd. Infektiologie Konsil bzw. Dermatologie Konsil fakultativ bei Unsicherheit
Allgemeine Information
Die Scabies ist eine ansteckende Hauterkrankung, die durch die Krätzmilbe hervorgerufen wird. Krätzmilben sind Spinnentiere, die feine, tunnelförmige Gänge in die Hornschicht der Haut graben und dort ihre Eier ablegen. Nach 2-3 Tagen schlüpfen die Larven, welche an die Hautoberfläche wandern und nach 2-3 Wochen selbst geschlechtsreif sind. Die weiblichen Milben können in der Haut 30-60 Tage überleben. Die Übertragung erfolgt durch engen Hautkontakt oder Kontakt mit befallenen Kleidern oder Bettwäsche und hat nichts mit mangelnder Hygiene zu tun.
Klinisches Bild
Bei der Erstinfektion mit Krätzmilben treten die ersten Symptome nach 2-5 Wochen auf, bei nachfolgenden Infektionen bereits nach 1-2 Tagen. Bereits während der beschwerdefreien Inkubationszeit sind Betroffene für enge Kontaktpersonen ansteckend. Die Erkrankung beginnt häufig mit heftigem Juckreiz, vor allem nachts bei Bettwärme. An der Haut zeigen sich kleine Papeln, Papulovesikel oder Pusteln, einzeln oder in Gruppen. Die oben beschriebenen Gänge können bei heller Haut manchmal als unregelmässige Linien mit blossem Auge gesehen werden. Häufig sind Kratzspuren sichtbar. Bevorzugte Körperstellen sind Zwischenfingerräume, Handgelenke, Achseln, Brustwarzen, Ellenbogen, Leisten, Genitalregion und Knöchelbereich. Bei Säuglingen und Kleinkindern können auch Kopf und Gesicht betroffen sein.
Bei immunsupprimierten Patienten können Millionen von Milben vorhanden sein, die zum Bild der Scabies norvegica oder crustosa führen mit einem psoriasiformen Bild bis zur Erythrodermie mit Schuppung und Hyperkeratosen. Komplikationen treten vor allem durch bakterielle Superinfektionen auf.
Diagnose
Für die Krankheit beweisend ist der mikroskopische Nachweis von Milben, Eiern oder Skybala (Kot) aus den Gängen an den befallenen Stellen. Mittels Auflichtmikroskopie (Dermatoskopie) können Milben als bräunliche Dreieckskontur nachgewiesen werden. Der mikroskopische Nachweis ist nicht zwingend. Meist reicht der klinische begründete Verdacht aus, um die Diagnose einer Scabies zu stellen. Dieser stützt sich auf die typischen Hautveränderungen an den Prädilektionsstellen und vor allem auf einen gleichzeitigen Befall bei Kontaktpersonen, vor allem Familienmitgliedern bzw. Mitbewohnern. Bei hohem Verdacht ist auch eine probatorische Behandlung gerechtfertigt.
Therapie
Als Erstlinienbehandlung der Scabies sollte die lokale Therapie mit Permethrin 5% Crème KOMBINIERT mit einer systemischen Therapie mit Ivermectin (Kapseln oder Suspension) erfolgen, welche nach 7-10 Tagen wiederholt werden muss.
Sämtliche engen Kontaktpersonen (Familienmitglieder, Mitbewohner, Personen in Asylunterkunft, welche im gleichen Zimmer wohnen und regelmässige Betreuungspersonen von Kindern) müssen unter Beachtung der Kontraindikationen GLEICHZEITIG und ebenfalls zweimalig mitbehandelt werden! In Asylunterkünften müssen evtl. noch weitere Personen mitbehandelt werden, wenn Kontakte zu anderen Bewohnern über gleiche Betten, Sofas, Decken oder Kleidung denkbar sind.
Permethrin 5%
In der Schweiz ist Scabi-med®-Crème zugelassen und krankenkassenpflichtig (1 Tube à 30g). Die Behandlung muss nach 7-10 Tagen wiederholt werden. Zur Unterstützung der topischen Behandlung ist bei Säuglingen und Kleinkindern das Anziehen von medizinischer Spezialkleidung (z.B. Tubifast Garments®) nach dem Eincrèmen empfehlenswert. Im Regelfall (sofern > 5kg Körpergewicht und nicht schwanger) sollte eine Kombinationsbehandlung mit Ivermectin erfolgen (s. nächster Punkt).
Anwendung
- Baden oder Duschen (z.B. mit Octenisan® Waschlotion), Haut gut abtrocknen und auskühlen lassen, Nägel kürzen.
- Scabi-med® 5% Crème einmalig abends am ganzen Körper für (8-)12 Stunden auftragen. Nägel/Nagelpfalz (Hände und Füsse) nicht vergessen. Keine Anwendung am behaarten Kopf, ausser bei Säuglingen/Kleinkindern. Mund und Augenregion aussparen. Falls Hände gewaschen werden müssen, diese erneut eincrèmen.
Dosierung
- 2-12 Monate: 1/8 einer Tube
- 1-6 Jahre: 1/4 einer Tube
- 6-12 Jahre: 1/2 einer Tube
- >12 Jahre: 1 Tube
- Während Einwirkdauer frische Kleider oder medizinische Spezialkleidung (s. oben)
- Bei Neugeborenen sollte die Behandlung unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.
- Nach 8-12 Stunden Haut nochmals gut reinigen (z.B. mit Octenisan® Waschlotion).
- Tag 2-9: morgens blande Pflegecrème (z.B. Dexeryl-Crème®) am ganzen Körper auftragen, ggf. abends für juckende Stellen topisches Steroid für einige Tage (z.B. Elocom-Salbe® 1:1 gemischt mit Dexeryl®), übrige Haut blande Pflegecrème
- Wiederholung nach 7-10 Tagen
Ivermectin
In der Schweiz wurde Ivermectin im Mai 2023 auf die Arzneimittelliste mit Tarif (ALT) aufgenommen und ist zugelassen zur Therapie der Scabies ab einem Körpergewicht von 15kg. Gemäss SwissPedDose ist eine Behandlung ab einem Körpergewicht von 5kg zulässig (off-label). Die Dosierung beträgt 200 - 300μg/kg/dosi, zweimal im Abstand von 7-10 Tagen. Idealerweise erfolgt eine Kombinationsbehandlung mit Permethrin 5% oder einem anderen topischen Antiskabiotikum. Für mild betroffene Familienmitglieder oder zur Sanierung in Institutionen (z.B. Asylunterkünften) kann eine Monotherapie mit Ivermectin erfolgen (Wiederholung nach 7-10 Tagen zwingend!). Apotheken können mittels Magistralrezeptur Ivermectin Kapseln und Suspensionen herstellen und über die OKP abrechnen. Wie und wo Ivermectin bezogen werden kann, wird weiter unten erläutert.
Anwendung
- Ivermectin sollte Schwangeren nicht verabreicht werden.
Dosierung
- Kinder ab 5kg: 0.2 mg/kg KG p.o. (Kps oder Susp)
- 51-65kg: 4 Kps
- 66-79kg: 5 Kps;
- >80kg: 6 Kps
- Wiederholung nach 7-10 Tagen
Benzylbenzoat
Benzylbenzoat 10 (Kinder) resp. 25% kommt zur Zweitlinientherapie bei ungenügendem Ansprechen auf Permethrin 5% jenseits des Säuglingsalters zum Einsatz. Das Präparat (Antiscabiosum® 10 und 25%) ist in der Schweiz nicht zugelassen und wird aus Deutschland importiert (1 Packung à 200g = ca. 25 CHF). Die Therapie erfolgt an 3 aufeinanderfolgenden Tagen. Eine Kombinationsbehandlung mit Ivermectin ist sinnvoll. Wiederholung nach 7-10 Tagen.
Crotamiton
Crotamiton 10% ist zur Zweitlinienbehandlung der Skabies bei ungenügendem Ansprechen auf Permethrin 5% im Säuglingsalter empfohlen. Das Präparat (Crotamitex-Salbe 10%®) ist in der Schweiz nicht zugelassen und wird aus Deutschland importiert (1 Tube à 100g à 100g = ca. 40 CHF). Die Therapie erfolgt an 3 (-5) aufeinanderfolgenden Tagen. Eine Kombinationsbehandlung mit Ivermectin ist sinnvoll, sofern > 5kg Körpergewicht. Wiederholung nach 7-10 Tagen.
Schwangerschaft/Stillzeit
Die lokale Therapie mit Permethrin 5% wird als sicher und effizient betrachtet und kann während der Schwangerschaft verwendet werden. Ivermectin sollte in der Schwangerschaft hingegen nicht eingenommen werden. Permethrin 5% und Ivermectin können während der Stillzeit angewendet werden. Während der Anwendung von Permethrin 5% auf der Haut soll jedoch eine Stillpause erfolgen (8-12 Stunden).
Behandlungskonzept
nach Gesundheitsdirektion Kt. ZH & PD Dr.med. Martin Theiler Pang)
Antientzündliche Nachbehandlung
Bei symptomatischen Patienten (Juckreiz, Exkoriationen) ist eine antientzündliche Nachbehandlung mit einem topischen Steroid und einer Pflegecrème für 1-2 Wochen sinnvoll.
Abheilungskontrolle
2-4 Wochen nach Abschluss der Therapie ist eine Abheilungskontrolle im Ambulatorium (Päd. Infektiologie Sprechstunde, alternativ Dermatologie LUKS) bzw. Hausarzt zwingend.
Hygienemassnahmen während und nach der Behandlung
Krätzmilben können ohne Kontakt zu Menschen maximal 4 Tage überleben. Nach Einnahme von Ivermectin oder nach Abwaschen/Abduschen von Permethrin 5% sollte vollständig neue Wäsche angelegt werden. Ebenso sollten die Betten neu bezogen werden. Alle Kleider, Handtücher, Bettwäsche und andere Textilien (inkl. Stofftiere/Spielsachen), die in den 4 Tagen vor Behandlung mit der Haut in Berührung gekommen sind, müssen bei mind. 60°C gewaschen werden. Wenn dies nicht möglich ist, werden Textilien entweder chemisch gereinigt oder für 3-4 Tage trocken in einem Plastiksack gelagert. Polstermöbel, textile Fussbodenbeläge, Autositze etc. sollen mit einem starken Staubsauger abgesaugt werden. Polstermöbel etc. sollten anschliessende 4 Tage nicht benutzt werden. Die Hygienemassnahmen sollten bei jeder Behandlung durchgeführt werden.
Besuch von Schule und anderen Gemeinschaftseinrichtungen
Gemäss den Empfehlungen der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte Schweiz (VKS) werden Scabies-Patienten mind. bis 24 Stunden nach Behandlungsbeginn oder bis zum Ausschluss der Diagnose von der Kita, dem Kindergarten, der Schule und anderen Gemeinschaftseinrichtungen ausgeschlossen. Die fachlichen Empfehlungen für Kitas weichen jedoch, wie oben beschrieben, da- von ab. Betroffene Kinder sollten die Kita erst wieder besuchen, wenn sie zweimalig korrekt behandelt wurden (s. oben). Für stark betroffene Kinder sollte vor Wiederzulassung zur Kita eine ärztliche Kontrolle zur Bestätigung des Therapieerfolgs stattfinden. Es steht den Kitas frei, ein entsprechendes ärztliches Attest einzufordern.
Spezifische Massnahmen in Asylzentren werden im Asyl-Handbuch (Empfehlungen für Impfungen sowie zur Verhütung und zum Ausbruchsmanagement von übertragbaren Krankheiten in den Asylzentren des Bundes und den Kollektivunterkünften der Kantone) beschrieben.
Bezug der Medikamente
Permethrin 5% Crème
Scabi-med® 5% Crème ist in der Schweiz zugelassen, wird von der OKP übernommen (SL 10%) und ist über die gängigen Versorgungswege erhältlich.
Ivermectin
Ivermectin Magistralrezeptur
Wie oben beschrieben, wurde Ivermectin neu auf die ALT aufgenommen, was bedeutet, dass Apotheken mittels Magistralrezeptur Ivermectin Kapseln und Suspensionen herstellen und über die OKP abrechnen können. Es soll somit bei der systemischen Behandlung Ivermectin nach Magistralrezeptur verschrieben werden. Zu beachten ist, dass die Suspension jeweils ad hoc hergestellt werden muss, da die Haltbarkeit beschränkt ist.
Wichtig: Bei Verschreibung von Ivermectin Kapseln oder Suspension ist auf dem Rezept neben den üblichen Informationen bezüglich Patient und Dosierung zwingend «Magistralrezeptur» zu vermerken.
Subvectin® Tbl 3mg
Subvectin® Tabletten sind zwar seit Mai 2023 in der Schweiz zugelassen, wurden aber bisher nicht auf die Spezialitätenliste (SL) aufgenommen. Sie werden somit nicht von der OKP übernommen, allenfalls von einigen Zusatzversicherungen (Ivermectin 3mg à 4 Stück = 48.55 CHF, à 8 Stück 64.60 CHF).
Stromectol® Tbl 3mg
Stromectol® Tabletten sind weder in der Schweiz zugelassen, noch werden sie von der OKP übernommen.
Patienteninformation in verschiedenen Sprachen
►TipDoc Scabies Patienten Information
Nachkontrollen
- Erste Nachkontrolle (2-4 Wochen nach Therapieabschluss) durch Hausärztin/Kinderarzt.
- Bei ausbleibender Besserung Zuweisung ad KidZ Ambulatorium (Sprechstunde Päd. Infektiologie)
Literatur
Merkblatt Skabies; Februar 2024 – Kanton ZH, Gesundheitsdirektion, Amt für Gesundheit, Kantonsärztlicher Dienst; Genehmigung von PD Dr. med. Martin Theiler Pang, Zentrum für Kinderhaut, Kinderspital Zürich
Sunderkötter C et al, S1 guidelines on the diagnosis and treatment of scabies – short version, J Dtsch Dermatol Ges 2016
Levy M et al, Ivermectin safety in infants and children under 15kg treated for scabies: a multicentric observational study, Br J Dermatol 2020
Meyersburg et al, Loss of efficacy of topical 5% permethrin for treating scabies : an Austrian single-center study, Journal of Dermatological Treatment 2022
Riebenbauer et al, Detection of a knockdown mutation in the voltage-sensitive sodium channel associated with permethrin tolerance in Sarcoptes scabiei var. hominis mites. J Eur Acad Dermatol Venereol 2023
BAG, Handbuch: «Empfehlungen für Impfungen sowie zur Verhütung und Ausbruchsmanagement von übertragbaren Krankheiten in den Asylzentren des Bundes und den Kollektivunterkünften der Kantone»