Transfusionsrichtlinie bei Früh- und Neugeborenen

Inhaltsverzeichnis

Autorin: Dr. R. Kothari (Intensivstation)

Geprüft und Freigegeben: PD Dr. Stocker (Intensivstation)
Version: 12/2020

Hintergrund

Früh- und Neugeborene gehören zum Patientenkollektiv, das am meisten transfundiert wird. Die Frühgeborenenanämie ist eine häufige Komplikation, die unter anderem durch iatrogene Blutverluste verursacht wird. Transfusionen von adulten Erythrozyten führen aufgrund von unphysiologisch hohen Sauerstoffwer-ten zu einer erhöhten Gewebeoxygenierung was wiederum einen prädisponierenden Faktor für die Entstehung weiteren Komplikationen (IVH, BPD, ROP etc.) darstellt.

Ziel des Merkblattes

Der Einsatz von Transfusionsrichtlinien kann die Häufigkeit von Transfusionen reduzieren. Bislang bestand keine Einigkeit, ab welchem Hämoglobin-Grenzwert die Transfusion von Erythrozyten-Konzentraten indiziert ist. Die liegt vor allem daran, weil bisher keine ausreichenden Daten über die Auswirkung von spezifi-schen Transfusionsrichtlinien auf die langfristige neurokognitive Entwicklung vorlagen.

In der Cochrane Analyse von 2011 wird die Datenlage und die Begründung für die restriktiven Empfehlungen zur Erythrozytentransfusion erläutert und auch Strategien für die Vermeidung von Transfusionen demonstriert. Nach den derzeitig publizierten prospektiv randomisierten Studien (PINTOS, ETTNO) erscheint eine restriktive Transfusionsstrategie bei Frühgeborenen unter 1000g einer eher liberalen Behandlungsstrategie nicht unterlegen zu sein und es konnten keine negativen Auswirkungen auf das neurologische Outcome und die die Mortalitätsrate gezeigt werden.

Transfusionsrichtwerte

Postnatales Alter Hämoglobin in (g/L) 2
  Kritische kardiorespiratorische Erkrankung1

Keine kritische kardiorespiratorische Erkrankung

Zyanotische

Herzvitien

1. Lebenswoche <115 <100 <130
2. Lebenswoche <100 <85 <110
≧ 3. Lebenswoche <85 <75 <110

 1 Definiert als mechanische Beatmung, CPAP oder High flow und FiO2 ≥ 0.30, hämodynamisch relevanter PDA, Anämiesymptome (Ruhetachykardie, Tachydyspnoe, Laktatazidose), Sepsis mit Katecholaminbedarf

2 Modifizierte Hämoglobinwerte (venös oder arteriell) entsprechen den restriktiven Grenzen der ETTNO Studie

Referenzen

  • Axel R: Effects of Liberal vs Restrictive Transfusion Thresholds on Survival and Neurocognitive Outcomes in Extremely Low-Birthweight Infants, the ETTNO Randomized Clinical Trial
  • Robin Whyte, Haresh Kirpalani: Low versus high haemoglobin concentration threshold for blood transfusion for preventing morbidity and mortality in very low birth weight infants. Cochrane Database Syst Rev 2011
  • Haresh Kirpalani: The Premature Infants in Need of Transfusion (PINT) study: a randomized, controlled trial of a restrictive (low) ver-sus liberal (high) transfusion threshold for extremely low birth weight infants. J Pediatrics 2006
  • Robin Whyte, Haresh Kirpalani: Neurodevelopmental outcome of extremely low birth weight infants randomly assigned to restrictive or liberal hemoglobin thresholds for blood transfusion. J Pediatrics 2009