Hämolytisch urämisches Syndrom (HUS): Abklärung und Therapie des typischen und atypischen HUS

14.06.22 - Zusätzlich zum Reserveserum noch Reserve EDTA eingefügt

10.11.17 - Anpassungen an Studienlage, Präzisierungen

Inhaltsverzeichnis

Autor: T. J. Neuhaus
Version: 12/12, Rev: 06/14, 11/17

 

Definitionen

1. D+ HUS oder STEC-HUS: “typisches” Durchfall-positives HUS

  • Verotoxin (Shigatoxin)-assoziiert: meist E. coli, in CH selten andere Bakterien wie Shigellen...
  • selten familiäre Infektionskette

2. D- HUS: sog. Durchfall-negatives = “atypisches” HUS

  • Pneumokokken-assoziiert (meist T-Antigen positiv )
  • familiär/genetisch: autosomal dominant/rezessiv; z.T. rezidivierend
    • Mutation in Faktor H, I, MCP (Serumwerte können aber dennoch normal sein!); Dysregulation im alternativen Weg des Komplementsystems
    • v. Willebrand Faktor-Cleaving Proteasemangel (=ADAMTS 13; 1° oder 2° wegen Auto-AK)
    • Vitamin B12 Stoffwechsel
  • CAVE: HUS im Rahmen eines Lupus (SLE; C3 tief)
  • Kombination: HUS und postinfektiöse Glomerulonephritis (C3 tief, Dg in der Regel nur histologisch möglich)
  • rezidivierendes HUS, sekundäres HUS bei Medikamenten usw.

3. Differentialdiagnose

  • TTP
  • Auto-Immunhämolytische Anämie
  • Malaria... (Nierenfunktion kann (noch) normal oder nur gering eingeschränkt sein)

 

Routinediagnostik bei HUS (immer durchführen)

1. Blut

  • Blutbild inkl. manuelle Differenzierung (Frage nach Fragmentocyten) und Retikulozyten
  • Na, K, Cl, Ca, P, Mg, Harnstoff, Kreatinin, Harnsäure, BGA, CRP, Ferritin, Eiweiss-Elektrophorese, C3/4, Albumin, Bilirubin, LDH, CK, Troponin, Leberenzyme, Gerinnungsstatus, Amylase, Glucose, Homocystein und ANA
  • Wenn C3/C4 tief und/oder ANA positiv: sofort SLE oder TTP suchen/ausschliessen inkl. Anti-DNA und ADAMTS-13 (und ev. Nierenbiopsie)
  • Blutgruppe, Kreuzblut, direkter Coombs-Test, T-Antigen (= Thomsen-Friedenreich Antigen)
  • Blutkultur
  • Immer RESERVE (SERUM) und EDTA-Plasma – tiefgefroren bei -20°C

2. Falls noch Urin

        • Sediment, Eiweiss, Kreatinin und Urinkultur

        3. Stuhl

          • Kultur (und PCR) auf VTEC: Verotoxin-(= Shiga-like Toxin) produzierende E. coli

          4. Weitere Diagnostik

          • initial: Sonographie Abdomen + Doppler Nieren, Echokardiographie und EKG
          • je nach Verlauf: Rö-Thorax, Ischämieparameter, neuroradiologische Diagnostik
          • Augenarzt (Fundoskopie) sofort bei Verdacht auf Augenbeteiligung und immer vor Entlassung

          Therapie

          1. Elektrolyt- und Volumentherapie (cave Ueberwässerung)

              • die meisten Patienten sind initial dehydriert: somit primär rehydrieren gemäss allgemeinen Grundsätzen
              • anschliessend anpassen an Klinik und Laborbefunde
              • falls anamnestisch oligurisch/anurisch: 1x Versuch mit hochdosiert Lasix (Furosemid): Dosis 1 mg/kg KG i.v.

              2. Dialyse

                  • ca. 2/3 der Patienten benötigen eine Dialyse
                  • D+ HUS: 1° Peritonealdialyse
                  • D- HUS: 1° Hämo(dia)Filtration

                  3. Plasmapherese (A) oder Infusion von FFP (B) oder Eculizumab (C)

                    • da keine Evidence based Daten: immer im Einzelfall diskutieren
                    • Indikationen:
                      • neurologische Auffälligkeiten
                      • Mangel Faktor H, I, vW-Cleaving Protease (ADAMTS-13)

                     

                    • Konzept:
                      • A: Entfernung des pathogenetischen "toxic" Faktors (?)  5%
                        Albuminersatz
                      • B: Ersatztherapie  Substitution des "missing" Faktors mit FFP
                      • C: Blockierung des Komplementaktivierung

                    Ernährung

                     

                    • Eine frühzeitige und vollständige Ernährung – und somit adäquate Kalorienzufuhr – ist anzustreben!

                    Spezialdiagnostik bei atypischem HUS (vgl. Merkblatt Zürich)

                    Langzeitkontrolle

                     

                    • Bei ≥ 50% der STEC-HUS/D+HUS Patienten erholt sich die Nierenfunktion und normalisiert sich Urin und Blutdruck.
                    • Dennoch "lebenslange" Kontrolle in jedem Fall - auch bei vollständiger Normalisierung aller renaler Parameter - indiziert wegen des Risiko einer sekundären Nephropathie nach 5 / 10 / 20 Jahren
                    • Bei primärer Persistenz pathologischer Befunde immer daran denken, dass gleichzeitig zum D+HUS ein genetischer Risikofaktor für ein atypisches HUS vorliegen könnte (Mutation im Faktor H, I, B, MCP etc …).

                     

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