Nierenfunktion: Tubulär

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Autor: T. J. Neuhaus
Version: 07/13

Allgemeines

  • Es existiert kein globaler Funktionstest, sondern es können nur einzelne Partialfunktionen geprüft werden: Proximaler oder distaler Tubulus, Konzentrationsfähigkeit, Ansäuerungsvermögen etc. Zudem werden zahlreiche Substanzen (Natrium, Kalium ...) an verschiedenen Orten des Tubulus resorbiert und/oder sezerniert.
  • Die meisten sogenannten Normalwerte beziehen sich auf eine normale Nierenfunktion, resp. eine normale Plasma-Konzentration einer Substanz „X“.
  • Zahlreiche „tubuläre Transporter“ sind molekularbiologisch und funktionell aufgeschlüsselt: z.B. Na-Pi II im proximalen Tubulus (funktionell inaktiv bei der X-chromosomal vererbten hypophosphatämischen Rachitis), Na-K-Cl2 in der aufsteigenden Henleschen Schleife (Angriffspunkt für Furosemid, resp. defekt beim Bartter-Syndrom), thiazid-sensitiver Na-Cl Kanal im distalen Tubulus (Angriffspunkt für Thiazide, resp. defekt beim Gitelman Syndrom), V2 Rezeptor und Aquaporin II Kanal (defekt beim X-chromosomalen, resp. autosomal rezessiven/dominanten Diabetes insipidus renalis).
  • Die Urinausscheidung einer Substanz wird entweder als Quotient pro mol Kreatinin oder als fraktionelle Ausscheidung angegeben.

Normalwerte (95. Percentile) für Quotienten (1): meistens altersabhängig

Substanz Calcium: mol/mol Kreatinin Phosphor: mol/mol Kreatinin Eiweiss: g/mol Kreatinin
< 1 Jahr 2.2 19 80
1-2 J. 1.5 14 45
2-3 J. 1.4 12 30
3-5 J. 1.1 8 20
5-7 J. 0.8 5 19
≥ 8 J. 0.7 3.6 18

Fraktionelle Ausscheidung (FE) (2)

  • Die FE einer Substanz X ist der Anteil der im Urin ausgeschiedenen Menge, bezogen auf die glomerulär filtrierte Menge. Die tubuläre Modulation durch Resorption oder Sekretion wird dabei nicht separat berücksichtigt.
  • Formel: FEx = Ausscheidung x / filtrierte Menge x = Uvol x Ux / GFR x Px.
    Da GFR = Uvol x Ucr / Pcr → FEx = Ux x Pcr / Ucr x Px. → FEx = (Ux x Pcr / Ucr x Px) - und noch x100, falls Angabe in %. Cave: Konzentration von Pcr = μmol/l, von Ucr = mmol/l (oder auch mol/l): bei der Berechnung von Vorteil alle Parameter auf mmol/l umrechnen!)
  • Normwerte für % Fex (falls entsprechende Parameter normal im Plasma):
    • Natrium: 0,7-2,3 % (niedrig bei prärenalem Nierenversagen; erhöht bei tubulärer Störung oder Salzverlustsyndrom, z.B. AGS)
    • Kalium: 1,0-44 %
    • Harnsäure: 4,6-18 %

Proximaler Tubulus

  • Ein Defekt im proximalen Tubulus (z.B. renales Fanconi-Syndrom) führt zu einer verminderten Rückresorption von Aminosäuren, Bikarbonat, Glukose, Harnsäure, Kalium, Natrium, Phosphat und tubulären Proteinen (= low molecular weight proteins =LMWP).
  • Aminoazidurie tritt auch auf bei Erhöhung des Parathormons (Rachitis, Niereninsuffizienz).
  • Tubuläre Proteinurie: in besonderen Situationen

Konzentrationsvermögen

  • Screening: Bestimmung des spezifischen Gewichtes (relative Dichte). Bei einem spez. Gewicht von > 1015 ist die Konzentrationsfähigkeit normal. Bei Anwesenheit von Eiweiss, Glukose oder Röntgenkontrastmittel (nach CT, IVP) nicht verwertbar, da "falsch hoch".
  • Bei Unklarheit wird primär der DDAVP-Test durchgeführt: Verabreichung von 20 μg DDAVP intranasal, dann Sammlung von 2 Urinportionen zwischen der 1. und 8. Stunde. Jenseits des 3. Lebensjahres sollte die Urinkonzentration 800 mosm/kg erreichen (3). Die Trinkmenge während des Testes darf die Urinmenge nicht übersteigen. Achtung: "Wenn Gradient durch funktionelle Polydipsie ausgewaschen ist, kann es 12-24-36h dauern, bis Gradient wieder aufgebaut ist."
  • Der Durstversuch kann gefährlich sein und darf nur unter Aufsicht durchgeführt werden.

Ansäuerungsvermögen

  • ·Die hauptsächliche Leistung, die beinahe vollständige Rückresorption von filtriertem Bikarbonat, erfolgt im proximalen Tubulus. Um den bei üblicher Nahrung entstandenen Säureüberschuss ausscheiden zu können, müssen zusätzlich im distalen Tubulus Wasserstoffionen gegen einen Gradienten sezerniert werden.
  • Screening: pH im ersten Morgenurin. pH < 5,5 schliesst eine distale Störung aus.

 

 

 

Quellen:

  1. Matos V, van Melle G, Boulat O, et al. Urinary phosphate/creatinine, calcium/creatinine and magnesium/creatinine ratios in a healthy pediatric population. J Pediatr 1997; 131: 252-257 (Abstract)

  2. Bianchetti MG, Kanaka C, Ridolfi-Luthy A, et al. Chronic renal magnesium loss, hypocalciuria and mild hypokalaemic metabolic alkalosis after cisplatin. Pediatr Nephrol 1990; 4: 219-222 (Abstract)

  3. Mårild S, Jodal U, Jonasson G, et al. Reference values for renal concentrating capacity in children by desmopressin test. Pediatr Nephrol 1992; 6: 254-257 (Abstract)